Beifang
ich war von Schnaken und anderen Insekten zerstochen, und das Essen bekam mir nicht. Das Kochen war übrigens Vrens Aufgabe, Eisholm bestand drauf, sie machte das auch gern, aber ich brachte von dem Zeug kaum etwas hinunter... Zuletzt hatte sie auf einem Markt in Uzès einen Fisch gekauft, und der muss verdorben gewesen sein, oder das verdorbene Teil landete auf meinem Teller, und plötzlich lag ich da, sterbenskrank und … ach, die Details dazu will ich Ihnen ersparen.«
Berndorf schwieg und wartete. Kann das sein, dass von einem Fisch ein Teil gut ist und ein anderes verdorben? Er wusste es
nicht. Aber wenn es so war, dann hatte es natürlich Gabriele treffen müssen, es gibt Menschen, die das Unglück anziehen, weil sie es nicht anders haben wollen.
Wirklich? Ach, was weißt du!
»Zum Glück wusste ich, welche Medikamente mir helfen konnten. Wir mussten also zu einer Apotheke, und zwar nicht einfach zu einer Wald- und Wiesenapotheke in einem provenzalischen Nest, sondern zu einer, die ein ausreichendes Sortiment hatte, denn das wichtigste Mittel war ein bisschen speziell. Also mussten wir nach Montpellier oder nach Nimes, nur hielt ich die Fahrt in dem alten VW-Bus mit seinen fast kaputten Stoßdämpfern nicht aus...Vren erbot sich zu fahren, aber Eisholm sagte sofort, mit Vrens Französisch würde kein Apotheker in diesem Land zurechtkommen, und am Ende käme sie dann ausgerechnet mit einem Abführmittel zurück... Ein kleiner Scherz auf meine Kosten, verstehen Sie? Und so sind sie zu zweit gefahren.«
»Und warum fuhr Eisholm nicht allein?«
Sie sah ihn groß an. »Ich dachte, Sie sind mit ihm bekannt? Eisholm, der große scharfsinnige Starverteidiger, der Löwe aller Münchner Salons - Eisholm kann nicht Auto fahren, hat es nie gekonnt. Mit dem Auto sei unsere Zivilisation schnurstracks in ihre eigene Sackgasse geraten, hat er immer erklärt. Die Wahrheit war, dass er einfach unter der schlimmsten Prüfungsangst litt, die man sich vorstellen kann. Nachdem er irgendwie und halb unter dem Einfluss von Beruhigungsmitteln die beiden Staatsexamina geschafft hatte - da hat er geschworen, sich niemals wieder irgendeine Prüfung anzutun. Also hat er auch nie den Führerschein gemacht und nie einen besessen...«
»Sie haben dann Ihre Medikamente bekommen?«
Sie lachte, und es klang ein wenig verächtlich. »Ich lag in diesem verdammten kleinen Zelt, und es lief alles aus mir heraus, was herauslaufen konnte, und Michael hat mit dieser leidenden Hilflosigkeit von überforderten Männern versucht, mir Kamillentee einzuflößen, aber das Elend nahm kein Ende. Die beiden kamen nicht zurück, nicht am Vormittag und nicht am
Nachmittag und auch am Abend nicht. Irgendwann schlief ich ein und wachte erst wieder auf, als die beiden spät in der Nacht plötzlich da waren. Sie hatten Medikamente dabei, das ist wahr. Aber es waren nicht die richtigen. Ich musste eben sehen, wie ich von selbst wieder auf die Beine kam.«
»Eine Fahrt vom Gard nach Nimes oder Montpellier und zurück... Warum dauert die bis in die Nacht?«
»Warum wohl!« Mit den Fingerspitzen berührte sie kurz seinen Arm, als wolle sie ihm einen symbolischen Klaps versetzen. »Es tue ihm ja unendlich leid, aber der VW sei leider unterwegs kaputtgegangen, erzählte Eisholm, und die Reparatur habe Stunden gedauert.«
»Und diese Vren - was sagte sie?«
»Nichts.« Gabriele Querheim zuckte mit den Achseln. »Jedenfalls nicht mir. Nein: niemandem hat sie etwas gesagt, aber...« - plötzlich lächelte sie wieder und beugte sich, fast vertraulich, zu Berndorf - »am nächsten Morgen war sie weg. Einfach auf und davon, samt ihren Sachen. Michael bestand darauf, sie zu suchen, fast unter Tränen tat er das, aber wir haben sie nicht mehr gefunden.«
»Haben Sie später noch von ihr gehört?«
»Drei oder vier Wochen danach, als ich längst wieder in Heidelberg war, begegnete ich ihr zufällig in der Buchhandlung, in der sie damals arbeitete. Sie war sehr abweisend, das muss ich schon sagen. Trotzdem habe ich versucht, ihr gegenüber Interesse zu zeigen, auch im Hinblick darauf, was in der Provence gewesen war. Aber sie sagte nur, sie sei per Anhalter zurückgefahren, und es sei auch nicht weiter schwierig gewesen. Basta!«
»Und ihre Beziehung zu Michael?«
»Meinen Sie jetzt meine Beziehung zu Michael oder die von Vren? Ich weiß über das eine nichts zu sagen und auch nichts über das andere. Ich habe Michael nie mehr gesehen, und als ich Eisholm einmal nach
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