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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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hat mit der Schrift größere Probleme als mit der Sprache.
    »Kriminaldirektor - was ist das?«, fragte Ruzkow. »Der Chef von Polizeirevier?«
    »Nein«, antwortete der Sicherheitsbeauftragte, »nicht vom Polizeirevier. Es ist der Mann vom Ministerium. Von ganz, ganz oben.« Er stand auf und warf einen bedauernden Blick auf Ruzkows Brieftasche. »Wenn Sie es wünschen, rufe ich ihn an, und Sie können selbst mit ihm sprechen.«
     
     
     
    Vor Jahren hatte Kuttler gegenüber einem hässlichen, unproportioniert zwischen die Nachbarn gezwängten Gebäude gewohnt, auf dessen unansehnlicher Giebelfassade lange Zeit noch die verblasste Aufschrift: »K. H. Blechschneider & Nachf., ff. Korbwaren und Holzspielzeug« gestanden hatte in einer Schrift, wie sie zuletzt in den zwanziger oder dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Gebrauch gewesen sein mochte. Das Haus war in der Bombennacht vom Dezember 1944 getroffen worden, von Blechschneider & Nachfolger wusste niemand mehr etwas, aber die Giebelwand mit der Inschrift war stehen geblieben, hatte die Währungsreform überlebt und die Deutsche
Mark, um irgendwann unter einem Isolierputz verschwunden zu sein.
    Oft hatte sich Kuttler vorgestellt, wie er eines Tages die Geschichte jenes K. H. Blechschneider recherchieren oder besser: einfach finden und ausgraben würde, zu keinem anderen Zweck als seinem Privatvergnügen, vielleicht würden sich in dem Haus noch ein paar Kartons mit Briefen und Rechnungen und Fotos finden lassen, Fotos von Senior Blechschneider und seiner vom Nachfolger geheirateten Tochter, vielleicht war sie eine Schönheit gewesen, vielleicht hatte sie auch ein Hüftleiden mitgebracht in die Ehe oder ein uneheliches Kind... Aber es gab niemand, der ihm diese Geschichte ausspinnen half, und so begann sie in seinem Gedächtnis zu verblassen wie jene Inschrift auf der Hauswand.
    Jetzt, in diesen leeren, eben renovierten Räumen, stellte er ernüchtert fest, dass von dem realen Geschehen, das im Haus der Mornys stattgefunden hatte, nichts mehr zu spüren, nichts mehr zu ahnen war, und auch von dem Ehepaar Morny nichts mehr, der von der Zeit angewehte Flugsand war weggesaugt, unter Verputz gelegt... Wie nur legt man die Erinnerung und die Geheimnisse frei, die ein solches Haus doch haben muss?
    Er hatte, von Lukas Freundschuh geleitet und begleitet, die beiden Stockwerke und auch das ausgebaute Dach besichtigt, hatte mit der Stablampe zwischen Dachsparren geleuchtet und im Keller sogar in den Raum, in dem sich der Heizöltank befand.
    »Suchen Sie etwas Bestimmtes?«, hatte Lukas Freundschuh irgendwann gefragt, und er hatte nur abwehrend den Kopf geschüttelt.
    »Nein, ich wollte mich nur vergewissern«, hatte Kuttler schließlich gemurmelt und die Eisentür der Luke zum Tankraum wieder geschlossen, und während er das tat, schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, dass der Alte unmöglich geglaubt haben konnte, dass in diesem Haus noch irgendetwas zu finden gewesen sei, geschweige denn die Goldkette der Fiona Morny.
    Was also hatte der Alte bezweckt?

    Er hatte einen Stein werfen wollen. Einfach so, um zu gucken, was passiert. Und er - was sollte er nun tun?
    »Ich würde noch gerne einen Blick in den Garten werfen«, sagte er, und Lukas Freundschuh nickte höflich und ging ihm zu einer Souterraintür voran, von der aus eine Treppe hinauf in den Garten führte. Draußen war es mild, fast frühlingshaft, so erschien es Kuttler nach dem gestrigen nasskalten Tag, der Garten gefiel ihm, weil es alte Bäume darin gab, deren kahle Zweige ein schwarzes verkrümmtes Gitter vor den graublauen Himmel legten. In einer Astgabel sah er ein Vogelnest.
    »Es hat Elstern hier in der Gegend«, sagte Kuttler. »Ich hab vorhin welche gesehen.«
    »Sicher doch«, antwortete Lukas Freundschuh. »Sie sind auch oft hier im Garten. Sie suchen die Nester der Kleinvögel und machen die Gelege kaputt, aber man darf nichts dagegen tun.«
    »Nisten die hier auch?«
    Freundschuh zuckte mit den Schultern. »Kann schon sein.«
    Plötzlich sah er Kuttler ins Gesicht, und in seinen Augen lag ein Anflug von Spott. »Ich kann von dem Maler die Leiter ausleihen - dann können Sie ja nachgucken, ob das da drüben ein Elsternnest war und ob die Goldkette der toten Frau darin liegt.«
    »Das ist eine gute Anregung«, antwortete Kuttler und beschloss, sich nicht auf den Arm nehmen zu lassen, der ihm da angeboten wurde.
    »Woher wissen Sie denn von diesem Schmuck?«
    »Das steht doch in der

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