Beifang
in einem der Zimmer sprachen zwei Männer, die Stimmen hallten - eine davon sprach nur gebrochen deutsch - in dem leeren Raum wider. Kuttler rief »Hallo!« und wies sich aus, als ein junger Mann - der Radfahrer, der gerade an ihm vorbeigefahren war - auf ihn zukam, es war der Sohn des Hausbesitzers, eine Tasche mit Tragriemen über der Schulter...
»Ihr Vater hat Sie beauftragt, hier nach dem Rechten zu sehen?«, fragte Kuttler und überlegte, ob er so tun solle, als müsse er die Arbeitserlaubnis von dem Mann im Malerkittel im Zimmer nebenan überprüfen.
Lukas Freundschuh lachte. Es klang etwas gequält, fand Kuttler.
»Nein, ich bin nur vorbeigekommen, weil ich sehen wollte, ob ich im Garten etwas fotografieren kann.« Er griff nach der Tasche, als wolle er beweisen, dass er einen Fotoapparat bei sich hatte.
»Und was fotografieren Sie?«
Lukas Freundschuh löste die Hand wieder von der Tasche. »Den Garten. Vielleicht Vögel. Vielleicht das Moos an den Bäumen, das macht manchmal ganz merkwürdige Muster... Aber kann ich etwas für Sie tun?«
»Ich habe im Fall Morny ermittelt«, erklärte Kuttler. »Und ich würde mir gerne die Räume und das Grundstück noch einmal anschauen, verstehen Sie? Ich habe natürlich keinen Durchsuchungsbefehl, nichts dergleichen, es gäbe auch keinen Grund dafür. Ich will mir nur noch einmal vergegenwärtigen, wie die Räume zueinander liegen.«
Schweigen hatte sich über die Runde gesenkt. Der Sicherheitsbeauftragte sah von Elaine zu Ruzkow und dann wieder über den Schreibtisch hinweg zum Fenster, geflissentlich hinweg
auch über die Brieftasche, als könnte er nur aus dem Anblick des Stuttgarter Talkessels die erlösende Erleuchtung ziehen.
»Ja«, sagte er schließlich und nahm noch einmal das Foto von Fiona Morny und betrachtete es. »Ein schönes Mädchen, so sagten Sie doch? Mit Charme, mit Liebreiz.« Er legte das Foto wieder weg und deutete eine Verbeugung vor Elaine an. »Auch die Dame wird mir nicht widersprechen. Nur lernt man in meiner Branche, mit solchen Wertungen zurückhaltend zu sein. Wir wissen zu gut, wie kurz die Verfallszeit von Charme und Liebreiz sein kann. Manchmal hält sie nicht einmal bis zur nächsten Morgentoilette …«
»Über die Verfallszeit dieser Schönheit hier müssen Sie mir nichts erzählen«, fiel ihm Elaine ins Wort. »Sie war am zehnten Mai hier in diesem Haus, ich sagte es Ihnen schon, und am nächsten Morgen war sie tot. Und jetzt will ich von Ihnen nur wissen, mit wem sie sich hier getroffen hat und wann sie das Hotel in welchem Zustand verlassen hat.«
Der Sicherheitsbeauftragte schüttelte den Kopf. »Sie fragen mich Dinge, die Sie doch bereits wissen.« Ein Lächeln schlich sich über sein Gesicht. »Beziehungsweise - die Frau, die heute Morgen bei uns angerufen hat, die hat es bereits gewusst.« Das Lächeln verschwand. »Aber etwas scheinen Sie offenbar doch nicht zu wissen.«
»Ja?«, fragte Ruzkow aufmunternd und machte eine Handbewegung, die den Schreibtisch und alles, was darauf lag, einzubeziehen schien.
»Dass die Details des Aufenthalts dieser Dame der Polizei bereits bekannt sind.« Er fasste Ruzkow ins Auge, als komme es jetzt nur auf ihn an. »Der Kriminalpolizei, um genau zu sein. Vor Monaten bereits hat sie überprüft, in welcher Suite sich diese Frau aufgehalten hat« - mit einer fast verächtlichen Bewegung wies er auf das Foto -, »dass sie dort gegen siebzehn Uhr eingetroffen ist und dass kurz nach zweiundzwanzig Uhr ein Taxi für sie bestellt wurde, welches sie körperlich unversehrt bestiegen hat.« Mit einem Ausdruck von Selbstzufriedenheit lehnte er sich zurück. »In einem persönlichen Gespräch hat
ein leitender Beamter des Innenministeriums sämtliche Details mit mir abgeklärt und mich angewiesen, für den Fall irgendwelcher Nachfragen - von wem auch immer - den Fragesteller an ihn zu verweisen.« Er griff in seine Jacke, holte eine Brieftasche hervor und entnahm ihr eine Visitenkarte, die er Elaine hinhielt. »Bitte, überzeugen Sie sich.«
Zögernd nahm Elaine die Karte. Sie trug im Prägedruck das Landeswappen, daneben waren Titel und Name aufgeführt: Kriminaldirektor Erwin Steinbronner, Innenministerium Baden-Württemberg, Stuttgart, Dorotheenstraße 6.
»Jelena, Schatz, lass mal sehen«, sagte Ruzkow. Sie gab die Karte weiter. Ruzkow hob den Kopf und entzifferte mit zusammengekniffenen Augen den Namen.
Offenbar ist Gennadij ein bisschen weitsichtig, dachte Elaine. Oder er
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