Beifang
müssen.
»Ich weiß es ja sehr zu schätzen, dass Sie sich herbemüht haben, lieber Kollege«, sagte der Konstanzer Kripochef, hinter seinem Schreibtisch zurückgelehnt und die Hände an den Fingerspitzen zusammengelegt, »sehr zu schätzen weiß ich das, aber wir haben selbst ein großes Interesse daran, unseren alten Kollegen Sawatzke zu finden... Sie ziehen die Augenbrauen hoch?
Ja, ich kann nicht anders, ich sehe in Sawatzke vor allem den Kollegen, auch wenn er sich verirrt haben mag.«
»Sie müssen aber doch zugeben«, sagte Dorpat und hob beschwörend seine Hand, »dass Ihr alter Kollege durchaus ein Motiv gehabt haben kann, sich an Eisholm zu rächen, leider...«
»Das wäre dann aber ein sehr irrationales Motiv«, wandte der Kripochef ein. »Jedenfalls würde ich es ungern zum Anlass nehmen, um jetzt schon mit Mann und Maus nach ihm fahnden zu lassen.« Wilma Rohm war es, als streife sie ein Blick.
»Reichlich irrational ist schon die ganze Vorgeschichte«, sagte Dorpat. »Insbesondere, wie sich der Kollege verhalten hat...«
»Das wissen wir alles nicht so genau«, unterbrach ihn sein Gegenüber, »das hat das Gericht so entschieden, und Gerichte - das wissen Sie doch, lieber Kollege - entscheiden mal so und mal so. Also, wenn Sie mich fragen - wir halten die Wohnung von Sawatzke unter Beobachtung, halten auch sonst die Augen offen, und Sie machen sich mit Ihrer jungen Kollegin einen netten Tag am Bodensee, das ist doch was anderes als das graue Ulm.«
Dorpat schwieg, als habe es ihm die Sprache verschlagen.
»Ich hätte da eine Frage«, hörte sich Wilma Rohm zu ihrer eigenen Überraschung fragen, und ihre Stimme klang ihr selbst noch schulmädchenhafter als sonst. »Da hat es doch diese Kellnerin in dem Eiscafé gegeben, für die Günter Sawatzke sich interessiert hat und die der Auslöser für alles war. Weiß man, wo diese Frau sich jetzt aufhält? Und könnte man sie fragen, ob Sawatzke nach seiner Haftentlassung versucht hat, mit ihr Kontakt aufzunehmen?«
Dorpat hatte sich zur Seite gewandt und sah sie mit einem Blick an, den sie nicht recht deuten konnte.
»Also...«, sagte der Kripochef und hatte sich aufgerichtet, »wenn Sie mich so fragen! Sicherlich können wir das überprüfen, wenn Ihnen das so wichtig erscheint, so unbedingt wichtig...« Er griff nach seinem Telefon.
Natürlich kennen wir den Pudelmann«, sagte Orrie und schälte sich aus seiner Lederjacke. Er und sein Kollege Heilbronner kamen gerade von einer Unfallaufnahme, auf dem Autobahnzubringer hatte ein Wagen nach dem Überholen einen anderen gestreift und sich danach gedreht, genau da, wo aus zwei Fahrspuren eine wurde. »Blechschaden, aber ein Stau bis hinter die Alb!«
»Der Pudelmann heißt mit richtigem Namen Rauth, mit th«, warf Heilbronner ein, »Vorname könnte Manfred sein, er ist schon mal wegen Hausfriedensbruch aufgefallen, hat in irgendwelchen Gartenhäuschen übernachtet. Aber das ist schon eine Weile her, überhaupt hab ich ihn schon länger nicht mehr gesehen.«
»Was willst du eigentlich von ihm?«, fragte Orrie, »der Pudelmann redet dich vielleicht schwach an, aber sonst ist er harmlos und seine Hunde auch, das heißt, er hat immer nur einen, meist einen Pudelmischling, der Pfötchen geben kann und auf den Hinterbeinen laufen...«
»Und vor nichts hat er so Angst wie davor, dass er in den Knast muss«, ergänzte Heilbronner, »weil sein Hund dann ins Tierheim kommt. Nach dem Knast kriegt er das Vieh nämlich nicht mehr zurück. Oder erst nach langem Ärger. Die dürfen keine Hunde an Obdachlose abgeben, verstehst du?«
Kuttler dankte, wünschte eine ruhige Schicht und ging an der Wache vorbei hinauf in das erste Stockwerk, wo sich die Räume des Dezernats I und also auch sein Dienstzimmer befanden. Es war still in den Korridoren, nur der Fernschreibraum und die Einsatzzentrale waren besetzt. Dorpat und sein neuer Liebling, Rohms Wilma, hatten sich nach Konstanz begeben - gute Reise!, dachte Kuttler, die Kollegen dort werden sich freuen.
Er zog seinen Parka aus, hängte ihn an den Garderobenständer, setzte sich an den Schreibtisch, startete seinen PC und wusste noch immer nicht, wie er auf die einfache Weise - also ohne das große Fahndungs-Trara - den Tippelbruder Manfred Rauth, genannt Pudelmann, ausfindig machen könnte. Er wusste, dass Tippelbrüder dringend Anlaufstellen und Unterkünfte
brauchen, erst recht, seit ihre wichtigste Einnahmequelle - das Schnorren - praktisch weggefallen war. In
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