Beifang
stellte er die Schachuhr ab und sah sich um, ob auch jedermann seinen Triumph bemerkt hatte.
Veesendonk nickte Berndorf zu. »Als Vren einen ganzen Tag lang herumfahren musste, um für die notorisch magenverstimmte Gabriele irgendein Medikament zu besorgen, muss sie zur Ansicht gekommen sein, nun habe sie lang genug die wohlerzogene Verlobte gespielt.« Wieder hob er die Hände und ließ sie fallen. »Und da hat sie sich abgesetzt. Aus und vorbei.« Er stand auf. »Sie werden bemerkt haben, dass Eisholm mit dieser Entscheidung nichts zu tun gehabt hat. Aber jetzt entschuldigen
Sie mich. Als guter Hirte dieser Schäfchen muss ich dem Sieger des Abends gratulieren.«
In diesem Augenblick erschien die Kellnerin, und der Turniersieger hob befehlend die Hand: »Lokalrunde!«
Der Strahl der Taschenlampe tastete sich über die Scherben, die tückisch auf den Steinplatten der morschen Treppe verteilt waren. Vermutlich - nein: ganz sicher würde eine der Steinplatten kippen, wollte jemand trotz der Scherben seinen Fuß darauf setzen. Kuttler beschloss, diesen Eingang zu meiden, und ging zum nächsten Gartentor, das freilich verschlossen war. Aber es war nicht hoch und auch nicht - wie die anderen Tore - mit Stacheldraht gesichert. So stieg er darüber und ging an kahlen Hecken vorbei zum Zaun, der diesen Garten von dem des spitzgiebligen Häuschens trennte. Maschendraht auch hier, aber Kuttler folgte dem Trampelpfad, der zwischen Hecken und Zaun bis zur Grundstücksecke führte. Dort sah er, dass der Maschendraht nur lose am Eckpfosten aufgehängt war, so dass er ihn mit einer Bewegung herunternehmen und hindurchgehen konnte.
Er war jetzt unterhalb des Spitzweg-Häuschens, wie er es bei sich getauft hatte. Das Häuschen schien dunkel, nur einmal flackerte wieder rötlicher Lichtschein aus den Ritzen der Tür und des Fensterladens, die zum Untergeschoss gehörten. Kuttler ging zur Tür, deren Schloss herausgebrochen war, und zog sie auf. Ein Schwall warmer, von Fusel geschwängerter Luft kam ihm entgegen, ein Ofen bullerte, doch der Ofen war ein Herd, der Lichtstrahl der Taschenlampe erfasste eine Gestalt, die vor dem Herd saß und sich rasch und bedrohlich umdrehte und aufrichten wollte und nach etwas griff, was der Schürhaken sein mochte, und dann doch innehielt, weil der Lichtstrahl sie blendete...
»Was willst du hier?«, sagte eine Stimme, die aus dem Dunkeln kam, »das ist privat, hau ab. Verpiss dich.«
Der Lichtstrahl erfasste einen zweiten Mann, der sich von einer
Art Strandliege aufrichtete und schützend die Hand vor die Augen hielt.
»Polizei«, sagte Kuttler, holte seine Polizeimarke heraus und richtete für einen kurzen Moment den Lichtstrahl gegen sich selbst und auf die Marke. »Ich wünsche Ihnen einen guten Abend und würde gerne Ihre Ausweise sehen.«
»Ein Kieberer!«, sagte der Mann auf der Liege. »Muss das sein? Da schänden sie Kinder und bringen junge Frauen um, aber unsereins darf nicht einmal in Ruhe ein Fläschchen trinken.«
Kuttler schaltete die Taschenlampe aus. Aus den Fugen des Herds und der Eisenringe, die als Herdplatten dienten, drang genug Feuerschein, um die Umrisse der Dinge und der Gestalten in dem Souterrainraum erkennbar zu machen. Der Raum hatte wohl früher einmal als Küche gedient, neben dem Herd stand eine steinerne Spüle, an der Rückwand befand sich ein Holzregal mit Gerümpel und leeren Weinflaschen.
Beide Männer besaßen gültige Ausweise, und Kuttler - an den Türpfosten gelehnt - gab die Namen mit seinem Handy an die Zentrale im Neuen Bau durch: Jaschke, Klemens, 39 Jahre alt, und Stenzel, Wolfdieter, 42.
»Überprüfen Sie uns nur«, sagte Jaschke. Er war der Mann, der es sich auf der Liege bequem gemacht hatte. »Von uns hat keiner was zu wollen... Und das Hüttchen hier, das ist ja praktisch eine Ruine, da kann doch niemand was dagegen haben, dass wir hier...«
»Schon gut«, sagte Kuttler und wartete, bis er Auskunft bekam. Tatsächlich lag weder gegen Jaschke noch gegen Stenzel ein Haftbefehl vor, Kuttler registrierte es mit Erleichterung. Er hätte überhaupt keine Lust gehabt, irgendjemandem erklären zu müssen - und schon gar nicht Dorpat -, warum er dieses baufällige Gartenhaus überhaupt überprüft hatte.
»Also«, sagte er dann. »Das wäre so weit in Ordnung. Und ich will auch gar nicht wissen, wem das nette Häuschen hier gehört und seit wann Sie hier eingeladen sind. Immer vorausgesetzt...« Er schwieg und kreuzte die Arme über
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