Beifang
der Brust.
»Vorausgesetzt was?«, fragte Jaschke.
»Der will uns linken«, bemerkte Stenzel, der sich wieder vor den Herd gehockt hatte. »Der will doch was von uns.«
»Sicher will ich das«, antwortete Kuttler. »Ich will wissen, seit wann dieses Häuschen wieder bewohnt ist und wer alles hier absteigt. Das ist doch nicht viel verlangt, Herr Stenzel?«
»Also dieses Hüttchen«, sagte Jaschke, »und überhaupt, die Ecke hier, die kennt nicht jeder.«
»Vorsicht!«, warnte Stenzel.
»Vorsicht ist keine Einbahnstraße«, sagte Kuttler und holte sein Handy wieder heraus. »Wenn Sie wollen, können wir uns auch im Neuen Bau unterhalten.« Stenzel schwieg, und Kuttler wandte sich an Jaschke. »Nicht jeder kennt es, sagen Sie. Das ist gut zu wissen. Seit wann kennen Sie es denn?«
Jaschke schüttelte den Kopf. »Sie stellen Fragen! Glauben Sie, unsereins führt ein Fahrtenbuch?«
»Seit wann?«, insistierte Kuttler.
Jaschke blickte Hilfe suchend zum Herd, dorthin, wo Stenzel hockte, die Hände um die angezogenen Knie gelegt.
»Also haben Sie’s ihm gezeigt«, fasste Kuttler zusammen, ebenfalls an Stenzel gewandt, dessen Konturen von Zeit zu Zeit vom Feuerschein aus dem Herd angeleuchtet wurden. »Wann? Und wann haben Sie es selbst entdeckt?«
»Weiß ich nicht mehr.«
»Wo waren Sie im vergangenen Mai, so um den zehnten Mai herum? Hier?«
»Woher soll ich das noch wissen?«
»Es war Frühling, der zehnte Mai war ein Donnerstag, die Nacht zum Freitag war hell, der fast volle Mond schien, vielleicht haben Sie sich spät noch die Füße vertreten?«
»Hören Sie auf«, sagte Stenzel. »Im letzten Mai hätt ich mir gern die Füße vertreten, das dürfen Sie mir glauben, aber ich war im Knast.«
»Wo? Und weshalb?«
»Körperverletzung«, antwortete Stenzel. »Hab einem eine gescheuert, der zu viele Fragen gestellt hat. Und der Knast war in Hannover, verflucht sei der Name und verflucht die Stadt.«
»Und als Sie wieder draußen waren, kannten Sie das Häuschen hier oben schon?«
Stenzel schwieg.
»Ich warte«, sagte Kuttler. »Und die Nacht ist noch lang.«
»Ja, doch«, antwortete Stenzel mürrisch. »Im Winter davor hat mich ein Kollege hierher mitgenommen.«
»Hat der Kollege auch einen Namen?«
»Was wollen Sie ihm denn anhängen?«
»Nichts«, meinte Kuttler. »Ich will ihn was fragen. Ob er was gesehen hat.«
»Diese Fragen kennen wir. Und wenn er was gesehen hat, dann hängt er auch schon drin.« Stenzel schwieg und senkte den Kopf. »Was springt für uns heraus?«, fragte er nach einer kurzen Pause.
»Dass ich gleich wieder weg bin und von nichts weiß«, antwortete Kuttler. »Vor allem nichts von diesem Häuschen und seinen Feriengästen.«
»Chef, ist das nicht ein bisschen wenig?«, schaltete sich Jaschke ein.
Kuttler schüttelte den Kopf, holte noch einmal sein Handy heraus und zeigte es herum. »Sie haben es doch gemütlich hier«, sagte er. »Im Neuen Bau - also so besonders angenehm ist es dort nicht, das dürfen Sie mir glauben. Nun?«
Jaschke schniefte beleidigt.
»Also, wenn Sie nicht wollen..!« Kuttler gab die Kurzwahl der Einsatzzentrale im Neuen Bau ein, drückte aber noch nicht auf die Ruftaste. »Trotzdem muss ich Ihre Aussagen zu Protokoll nehmen... Dabei glaube ich gar nicht, dass Sie den Kollegen in so angenehmer Erinnerung haben. Der ist doch plötzlich ein bisschen komisch geworden, nicht wahr, Herr Jaschke? Ein bisschen sehr darauf bedacht, dass ihm keiner zu nahe kommt?«
»Nun lassen Sie mal Ihr Telefon stecken«, meinte Jaschke. »Ich glaube, Sie suchen den Pudelmann.«
»Judas!«, sagte Stenzel.
Als Kind hatte Elaine Schattenspiele gemocht, vor allem, wenn sie die Haupt- und Alleindarstellerin war, man brauchte ein Leintuch und eine Lampe, die einen klar umrissenen Schatten warf, und ein paar Accessoires, einen hohen spitzen Hut, wenn sie eine böse Fee sein wollte (und sie war sehr gerne eine böse Fee), eine Krone oder einen Ball, um die Königstochter zu sein. Frösche im Schattenspiel darzustellen war hingegen etwas schwieriger, vor allem, wenn es der kleine Bruder war, der zum Schluss an die Wand geworfen werden sollte.
Der Schatten, den diesmal die Nachttischlampe neben ihr an die Wand des Hotelzimmers warf, war vergröbert und ein wenig verschwommen. Was sie sah, erinnerte sie an den mächtigen, gewölbten Rücken eines Ungeheuers oder eines Tieres, das in gleichmäßiger Bewegung zu graben und zu wühlen schien, sie musste an ein Wildschwein
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