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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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viel. Moment...« Er nahm den etwas zu klein geratenen Hut ab, der den hinteren Teil seines Schädels bedeckte, und hob die Stimme etwas: »Da sah ich, dass die Weisheit die Torheit übertrifft wie das Licht die Finsternis, dass der Weise seine Augen im Kopf hat, aber die Toren in der Finsternis gehen: Und ich merkte doch, dass es dem einen geht wie dem anderen.« Er nickte kurz und setzte den Hut wieder auf. »Prediger Salomo, wenn ich’s recht weiß.«
    »Sehr ermutigend«, sagte die Anwältin. »Trotzdem besten Dank. Ich beginne mich wirklich zu fragen...« Sie unterbrach sich, denn in ihrer Manteltasche hatte ein Mobiltelefon zu vibrieren
begonnen. Sie machte sich von Berndorf los, holte das Gerät heraus und meldete sich.
    »Dorpat ist hier«, sagte eine Stimme, die irgendwie übersteuert klang, »Ivo Dorpat, Kriminalpolizei Ulm. Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass wir im Falle Ihres Kollegen Eisholm einen dringend Tatverdächtigen festgenommen haben...«
    »Bitte?«
    »Es geht um einen gewissen Sawatzke, Günter. Ein früherer Kollege von uns. Leider. Herr Eisholm hatte ihn der Freiheitsberaubung und der Falschaussage überführt... Wir hätten nun gerne gewusst, ob es zu dem Fall noch weitere Unterlagen oder Aufzeichnungen seitens Herrn Eisholms gibt, ob er möglicherweise von Sawatzke bedroht worden ist...«
    Die Anwältin beendete das Gespräch. »Tut mir leid«, sagte sie und blickte von Berndorf zu Walleter. »Könnt ihr mich zu einem Bahnhof bringen? Ich muss zurück nach Ulm.«
     
     
     
    Das italienische Restaurant war leer, ein Ober stand hinter der Glastür, die von Kübeln mit Orangen- und Zitronenbäumchen eingerahmt wurde, und starrte in den Regen hinaus. Als die beiden Männer mit dem schwarzen Hund vorbeikamen, verfinsterte sich sein Gesicht. Dann sah er, dass der Hund eine Hündin war, denn sie hockte sich nieder und setzte ein Rinnsal auf dem Gehsteig ab.
    Zornig riss er die Türe auf, aber Kuttler drehte sich um und legte den Zeigefinger warnend, fast ein wenig drohend auf den Mund. Dann wies er zum Himmel, von dem es noch immer regnete.
    Der Hund hatte aufgehört zu pissen. Der Ober schloss die Tür wieder, und Kuttler und die Hündin schlossen zu Rauth auf.
    »Was glauben Sie«, sagte Rauth, »wie der sich aufgeführt hätte, wenn wir dort einen Espresso hätten trinken wollen? Und erst seine Gäste!«
    »Im Augenblick hat er gar keine.«
    »Aber sonst!«, beharrte Rauth. »Da frisst, was drüben tagt. Das
Land also. Ein Edelkoben für unsere Volksvertreter. Was glauben Sie, wie das zetert, wenn unsereins zur Tür hereinkommt...«
    »Sie sind im Irrtum«, stellte Kuttler fest.
    »Ach ja?«
    »Sie wären sozusagen selbst ein gefundenes Fressen. Kaum, dass der Ober den Mund aufmacht, um Sie zur Tür hinauszuweisen, wären Sie schon an einen Tisch gezerrt worden und würden mit Scampi und Tagliatelle und Bardolino abgefüllt, dass Ihnen Hören und Sehen vergeht.«
    Rauth schüttelte den Kopf. »Sie ticken nicht richtig, Meister.«
    »Durchaus«, antwortete Kuttler. »Und wissen Sie, warum Ihnen das widerfahren würde? Damit am nächsten Tag in der Zeitung steht, Abgeordneter XYZ bewahrt Obdachlosen vor Rauswurf aus Edelpizzeria. Und dazu ein Bild von Ihnen, wie Sie sich die Pasta reinstopfen, und ein Bild vom Abgeordneten, wie er sagt...« - Kuttler legte ein brummendes, sozusagen staatsmännisches Timbre in seine Stimme -, »der Mann brauchte eine warme Mahlzeit, da habe ich dafür gesorgt, dass er sie bekommt …«
    Rauth sah ihn ungläubig an.
    »Das funktioniert?«
    »Aber nur einmal«, antwortete Kuttler. »Einige dieser Leute sind schlauer, als Sie meinen. Die sind ziemlich ausgekocht.«
    Rauth schwieg. »So?«, sagte er schließlich. Es war nicht ganz klar, ob das als Frage gedacht war.
    Sie hatten eine Straße überquert und eine zweite und waren in einem Quartier mit Altbauten aus der Vorkriegszeit und den frühen fünfziger Jahren angekommen. Rauth führte ihn in eine Eckkneipe, die sich »Tuttlinger Hof« nannte und als Raucherclub ausgewiesen war: graubraune Plastikvorhänge, Schirmlampen, die auf die Tische mit den Resopalplatten herabhingen, und an den Tischen ein knappes Dutzend Männer, deren Gespräche mit einem Schlag abbrachen, als Kuttler den Raum betrat.
    »Kein Problem, nirgends«, sagte Rauth mit erhobener Stimme, steuerte einen Tisch in der Ecke an und setzte sich auf die Eckbank. Offenbar war Rauth hier bekannt, eine dicke Frau mit
straff nach hinten gebundenem Haar

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