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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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unterbrach Berndorf. »Und was kam danach? Nach dem Paradies, meine ich...« Er blickte fragend zu Walleter, der gerade einen Gang herunterschaltete.
    »Nach dem Paradies?«, fragte Walleter zurück, als er den Wagen durch eine Haarnadelkurve gezogen hatte. Dann hob er die Stimme. »Verflucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen...« - er schaltete wieder einen Gang hoch - »und sollst das Kraut auf dem Felde essen... So sprach der Herr zu Adam, wenn ich’s recht weiß.«
    »Als Strafe für einen Apfel oder ein paar Kirschen von Nachbars Baum ist das aber eine ziemliche Überreaktion«, warf die Anwältin ein.
    »Nicht wegen einem Apfel«, erwiderte Walleter und hob wieder die Stimme: »Dieweil du hast gehorcht der Stimme deines Weibes...« Er brach ab und setzte mit leiser Stimme hinzu: »Deswegen war es.«

    »Die schiere Frauenfeindlichkeit!«, fasste die Anwältin kühl zusammen. »Aber das sage ich doch schon die ganze Zeit.«
    »Ich verstehe das etwas anders«, meinte Berndorf. »Was Walleter vorgetragen hat, beschreibt den Wechsel von der Wildbeuter- zur Ackerbaugesellschaft. Offenbar ist es Eva eines Tages aufgefallen, dass rund um den Lagerplatz allerhand Pflänzchen hochgekommen waren, aus den Samen der Früchte entstanden, die der brave dumme Adam so unermüdlich angeschleppt hatte. Also war es Eva, die den Ackerbau erfunden hat …«
    »Gewiss doch«, unterbrach ihn die Anwältin, »seit jeher sind es die Frauen, die umgraben und den Buckel krumm machen müssen... Aber was ist mit der Schlange?«
    »Die Schlange des Sündenfalls hat die Nähe des Menschen gesucht«, antwortete Berndorf, »und das war offenbar so ungewöhnlich, dass Adam - den ich für den modernisierungsgeschädigten Erzähler dieser Geschichte halte - das als ein besonders bezeichnendes Ereignis in den Blickpunkt rückt. Warum hat die Schlange, dieses kluge Tier, das getan?«
    »Verrate es uns«, sagte Elaine und hielt sich die Hand vor den Mund, denn sie musste gähnen.
    »Für ihren Ackerbau braucht Eva Vorräte. Sonst hat sie im Frühjahr keinen Samen. Wo Vorräte sind, sind Mäuse. Und wo Mäuse sind, stellt sich alsbald die Schlange ein... Das ist schon alles.«
    »Die ganze Aufregung war eines Mäuschens wegen?«, fragte Elaine. »Das wäre ein bisschen banal, findest du nicht? Ich würde dazu gerne Evas Geschichte lesen. Aber die hat natürlich mal wieder niemand aufgeschrieben.«
    Berndorf sah auf. Vor ihnen kam das Ortsschild »Hirsau« in Sicht.
    »Gehen wir uns die Füße vertreten?«

    Gina hatte langes, lockiges schwarzes Haar, schwarz umschminkte Augen und lange künstliche Fingernägel, die wie Schildpatt funkelten. Außerdem führte sie das Wort.
    »Auf keinen Fall kommen wir mit Ihnen«, erklärte sie, »mit niemand von deutsche Polizei gehen wir, wir haben nichts mit Ihnen zu rede und zu tun und zu schaffe! Außerdem - wer soll das Café führen, solange wir weg sind? Sie vielleicht?« Abschätzig sah sie Wilma Rohm an. »Da läuft die Kundschaft ja gleich wieder weg.«
    Wilma Rohm warf einen Blick in das Café. Es saßen zwei halbwüchsige Mädchen darin und tuschelten. Sonst niemand.
    »Reden mit niemand von Polizei, kein Wort«, bestätigte ihr Mann, der ebenso schwarzlockiges Haar hatte wie Gina und nur unwesentlich größer aussah als sie, obwohl er Schuhe mit Plateausohlen trug.
    »Wir können uns ja hier miteinander unterhalten«, schlug Wilma Rohm vor. »Wir müssten nur wissen, seit wann Sawatzke Sie wieder belästigt. Nach meiner Meinung ist das übrigens Stalking, was der macht, und das ist strafbar, Sie könnten Strafanzeige erstatten...«
    Noch immer standen sie zu dritt an der Theke, denn das italienische Paar dachte nicht daran, Wilma Rohm einen Platz anzubieten.
    »Deutsche Polizei wolle uns nur reinlegen«, antwortete Gina ungerührt, »die ganzen Jahre schon, warum ist der Kerl denn schon wieder draußen? Das habt doch ihr von der Polizei gedreht, niemand sonst...«
    »Nein«, sagte Wilma, aber Gina duldete keine Widerrede.
    »Doch, und ich beweis es Ihnen, denn der Kerl schleicht schon die ganzen Tage hier herum, einmal ist ein Gast gekommen und hat gesagt, da drauße der Typ in dem Wagen, was will der von euch? Da haben wir bei dem Advokat angerufen in München, und der hat gesagt, keine Sorge, er macht das schon, und dass er bei der Polizei anruft, und was ist passiert?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete

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