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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Mann.
    »Ihr Herr Großvater hatte Geschmack«, meinte Vierneisel und nahm die Lupe aus dem Auge. »Ich kann sie Ihnen bis Ende der Woche richten. Aber mit vierzig Euro müssen Sie schon rechnen.«
    Der Graue nickte. »Das geht in Ordnung.«
    »Und wie war jetzt der Name?«
    »Berndorf«, sagte der Mann.
    Kein Steuerprüfer. »Ich weiß, wer Sie sind«, sagte Vierneisel. »Sie sind von der Mordkommission...«
    Berndorf schüttelte den Kopf. »Die Zeiten sind vorbei.«
    »Pensioniert? Wird Ihnen da die Zeit nicht lang?«
    »Manchmal«, antwortete Berndorf, »ich such mir dann ein wenig Arbeit... hier zum Beispiel.« Er legte die schwarze Mappe, mit der er gekommen war, auf den Tisch und zog ein paar Fotografien heraus. »Ich wüsste gerne, ob Sie diesen Schmuck schon einmal gesehen haben.«

    »Ah ja«, machte Vierneisel und sah nicht die Fotos, sondern Berndorf an. »Ich wunderte mich schon...«
    »Worüber?«
    »Die Uhr ist echt, und der Schaden, den sie hat, ist es auch. Aber Sie - Sie sind mir als Kunde gewissermaßen verkleidet vorgekommen. Wollen Sie die Uhr wirklich repariert haben?«
    »Aber ja doch«, meinte Berndorf. »Trotzdem könnten Sie einen Blick auf die Fotos werfen.«
    Zögernd nahm Vierneisel den ersten der Abzüge und betrachtete ihn. »Sie wissen schon, was Sie mir da zeigen?«
    »Ich denke doch.«
    »Sie denken!«, wiederholte Vierneisel, fast zornig. »Wenn der Ring das ist, was ich meine, dann müssten im Innern Buchstaben eingraviert sein. Hebräische Buchstaben. Es ist ein jüdischer Hochzeitsring. Können Sie mir sagen, wie der Ring zu dieser Frau gekommen ist?«
    »Ach«, sagte Berndorf, »weil ich genau das wissen will, bin ich doch zu Ihnen gekommen.«
    »Und warum wollen Sie es wissen?«
    »Weil der Ring Beweismaterial in einem Mordfall ist.«
    Vierneisel lachte. Eigentlich war es kein Lachen. Er stieß die Luft durch den Rachen, das war es schon. »Ein wahres Wort. Sehr wahrscheinlich ist dieser Ring Beweisstück in einem Mordfall, fast könnte ich’s beschwören.« Er stand auf und ging zu einem kleinen Wandschrank, schloss ihn auf und holte eine Flasche mit einer wasserhellen Flüssigkeit heraus. »Meine Chefin und der Doktor haben es mir verboten, aber manchmal braucht die Seele ein Stärkungsmittel.« Er stellte zwei Wassergläser auf den Tisch und goss beide halbvoll. »Auf die Toten!«
    Berndorf zögerte einen Augenblick, dann nahm er das Glas und kippte einen Schluck, der ihm höllisch in der Kehle brannte und kurz den Atem nahm.
    »So!«, sagte Vierneisel und stellte das Glas ab. »Sie sollen Ihre Antwort haben... Vor etwa sieben Jahren hat mich eine Frau angerufen, deren Mann kurz zuvor verstorben war, und mich gefragt, ob ich einige Erbstücke schätzen und gegebenenfalls
kaufen oder in Kommission nehmen könne. Der Mann war eine Respektsperson gewesen, ein Herr Gaspard, stellvertretender Direktor des Finanzamtes und hohes Tier im Schwäbischen Albverein. Die Frau, man kann sagen: eine Dame, war auch schon an die achtzig und hatte einen Platz im Altersheim und wollte nun ihr Haus aufräumen, übrigens ein schönes Haus an der Blau, und zeigte mir altmodisches Silberbesteck, ein oder zwei Uhren und - ganz zuletzt hat sie es ausgepackt - eine Goldkette mit einem Ring daran.« Er machte eine Pause und wies auf die Fotografie. »Eine Kette, genau wie diese, mit einem goldenen Ring daran, einem goldenen Ring, der auch genauso ausgesehen hat wie dieser hier...« Er trank einen zweiten Schluck.
    »Ich wusste damals noch nicht, was das für ein Ring war, habe aber die hebräischen Buchstaben gesehen. Ich hab die Frau gefragt, was sie über die Herkunft weiß, aber sie hat nur gemeint, ihr Mann hätte das wohl im Osten einem Händler abgekauft, und wie sie das sagte, hab ich gefragt, ob das während des Krieges gewesen sei, und da wird sie plötzlich ganz seltsam und fährt mir über den Mund: Unsinn!, sagt sie, was reden Sie da! Der Schmuck war ein Pfand, ein Pfand von einem Viehhändler für den Großvater, aus der Inflationszeit nach dem Ersten Weltkrieg, und der Händler hat das Pfand nicht eingelöst, und so hat es der Großvater mir vererbt...«
    Er griff zur Flasche und füllte das Glas auf. »Ich hab damals sofort gewusst, dass das eine Lügengeschichte war. Kein Bauer hier bei uns im Gäu hätt sich ein Stück Vieh für einen Goldschmuck abhandeln lassen, von dem er nicht weiß, ob er vielleicht aus Messing ist, und kein Viehjud gibt einen echten Schmuck als Pfand, damit

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