Beifang
jeder im Gäu weiß, der hat jetzt auch schon kein Geld mehr... Die Geschichte war gelogen, und ich hab gedacht, am besten geb ich ihr die Kette gleich wieder mit und sage, dass ich mit solchen Dingen nichts zu tun haben will... Natürlich hätte ich auch sagen können, dass der Ring meiner Ansicht nach der Jüdischen Gemeinde gehört, ganz sicher hätte man das sagen können, aber dann wäre diese Frau nur hinausgelaufen und hätte den Schmuck wieder mitgenommen
und hätte ihn sonstwo verramscht oder einschmelzen lassen... Das hab ich doch auch nicht zulassen können, verstehen Sie? Das sieht doch selbst ein Laie, dass der Ring ein Kunstwerk ist, eine Miniatur, etwas ganz Besonderes...«
»Wie viel haben Sie ihr gegeben?«
»Was?«, fragte Vierneisel zurück. »Ach so. Ja, wie ich sagte, man konnte doch nicht zulassen, dass so etwas ruiniert wird...«
»Wie viel?«
»Dreitausend«, antwortete Vierneisel. »Das waren aber noch Mark, und das Geld hab ich eigentlich schon damals nicht mehr gehabt. Der Laden lief nicht mehr gut, das war auch kein Wunder … mit richtig teurem Schmuck, mit richtig teuren Uhren können Sie vielleicht noch Geld verdienen, vielleicht auch richtig Geld, aber da müssen Sie selbst erst einmal Geld mitbringen oder geheiratet haben, und Sie dürfen auch nicht in einer Klitsche in der Ulmer Neustadt hocken mit ein paar Golduhren von Großvaters Seite im Angebot...«
»Sie werden ihr fünfhundert Mark gegeben haben«, sagte Berndorf, »und das waren noch fünfhundert zu viel, nicht für den Ring, aber für diese Frau. Aber was haben Sie dann mit dem Ring angefangen?«
»Nichts«, sagte Vierneisel. »Ich hab ihn in meinen Tresor gelegt und dachte, ach, ich weiß nicht mehr was.«
»Sie werden sich überlegt haben«, sagte Berndorf, »ob Sie einen Vermittler finden, der den Ring einem Museum oder eben der Jüdischen Gemeinde anbietet, und zwar so, dass ein kleiner Aufpreis für Sie herausspringt.«
Vierneisel schüttelte den Kopf. »Wozu einen Vermittler?«
»Weil Sie den Ring nicht gutgläubig erworben haben.«
»Ich bin kein Hehler«, antwortete Vierneisel zornig. »Ich dachte, irgendeine Lösung wird sich schon finden. Und dann hab ich ganz andere Sorgen gehabt, ich war ja praktisch schon die ganze Zeit bankrott und bin deswegen auch verknackt worden. Wenn so ein armer Teufel wie ich mit dem Zahlen nicht mehr nachkommt, da schlägt die Justiz gnadenlos zu, das dürfen Sie mir glauben...«
»Schon gut«, sagte Berndorf. »Versteh ich Sie recht, Sie haben den Ring samt Kette in Ihrem Tresor liegen lassen, bis er in die Konkursmasse gewandert ist?«
»Genauso war es«, sagte Vierneisel, fast erleichtert, dass sich das Gespräch einem anderen Aspekt zugewandt hatte.
»Aber er muss doch ins Inventar aufgenommen worden sein? Welche Angaben wurden da gemacht, und welcher Schätzpreis wurde angenommen?«
»Sie kennen diesen Konkursverwalter nicht. Beyschlag heißt der Kerl, bei Gott, der Schlag soll ihn treffen! Der hat in meinem kleinen Laden herumgetan, als wäre er nicht gescheit, und mich heruntergemacht, elend wie ich war. Und bei diesem Schmuck...« - er zuckte mit den Achseln - »da hab ich gesagt, dass er meiner Ansicht nach unverkäuflich sei und am besten denen zurückgegeben werden soll, denen er gehört, also den Juden, mein ich, und er hat mich nur angesehen und gar nichts gesagt, und in der Inventurliste stand dann auch nichts mehr davon …«
»Sie haben die Liste nicht gegengezeichnet?«
»Doch … aber was hätte ich reklamieren sollen? Ich hab doch selbst gesagt, dass das Zeug unverkäuflich ist … Aber was ich nicht verstehe, wie kommen diese Kette und der Ring zu dieser Frau, und wer ist sie überhaupt?«
»Diese Frau«, antwortete Berndorf, »ist umgebracht worden, und deswegen können wir sie nicht mehr fragen. Also müssen wir wohl den Herrn Konkursverwalter Beyschlag um Auskunft bitten, finden Sie nicht?«
Und müssen Sie darauf hinweisen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt Aussagen über die nach Abgeltung der bevorrechtigten Forderungen verbleibende Quote nicht gemacht werden können und so weiter blabla mit freundlichen Grüßen... Was hab ich einen Klempner freundlich zu grüßen! Wenn ich das hier schon lese« - ärgerlich klopfte Anton Beyschlag auf einen handschriftlichen Brief - »als gäbe es nichts Wichtigeres wie die
Rechnung für ein verstopftes Scheißhaus...« Er setzte seine Lesebrille ab und betrachtete missvergnügt seine
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