Beim ersten Om wird alles anders
Kuhdungtaler hergestellt, die als Brennstoff, Isoliermaterial und Kompost Verwendung finden. Man kann Vereinsmitglied, Sponsor von Karotten oder Heuballen oder am besten gleich Vollpate werden.
Für den esoterischen Touch, den man auf der Messe erwarten konnte, sorgten Ayurveda-Zahnpasta,Yogi-Kekse und Yogi-Tee, Chakra-Poster, Kristallanhänger gegen Elektrosmog oder psychedelische Malereien für die Wohnung.
Es gab auch Yoga-Kitsch. Mein Favorit waren putzige, mit kurzen Hosen bekleidete Tiere in den Yoga-Positionen Hund, Kuh oder Löwe. Egal aus welchem Material, ob Gips, Terrakotta oder Bronze, immer verschmelzen sie mit den Formen des menschlichen Körpers und bilden eine Einheit, die Grenzen zwischen den Geschöpfen verwischen. Meint zumindest die ausführende Bildhauerin. Immerhin, so der Hinweis zum praktischen Nutzen, der Betrachter kann an den Yoga-Tieren genau erkennen, wie die dargestellte Yoga-Körperhaltung funktioniert und diese bei Bedarf nachahmen. Einen derartigen Bedarf habe ich bislang nicht verspürt, vielleicht auch, weil die Übungen Kuh und Löwe in meiner Yoga-Schule zumindest bisher nicht unter den von der Künstlerin gewählten Bezeichnungen Kuhasana und Löwenasana gelehrt wurden.
Eines meiner persönlichen Highlights war, dem Kundalini-Team bei der Arbeit zuzuschauen. Um eine ganz besondere
Form der Entspannung herbeizuführen, zeichneten die Kundalini-Energiearbeiter über dem Kopf und hinter dem Rücken von Freiwilligen ohne direkte Körperberührung unablässig und voller Elan seltsame Bewegungen in die Luft. Ziel war offenbar, die Kraft der Kundalini, die sich bevorzugt am unteren Ende der Wirbelsäule sammelt, zu aktivieren und durch die Bewegungen im Körper Richtung Kopf aufsteigen zu lassen. Die daraus resultierende Entspannung, so wurde einem versichert, stelle sich spontan ein, garantieren könne man aber nichts, jeder Mensch reagiere da anders, alles geht, nichts muss auch an diesem Stand.Weniger Interesse hatte ich an der am selben Stand vorgestellten Sahaja-Yoga-Meditation. Ich glaube, ich bin einfach nicht der Typ, der bei Besuchen von Seminaren „schnell spirituell wachsen“würde. Mein „subtiles System“bleibt vorerst besser unerkundet, und die Techniken, mit „denen es gereinigt wird“, will ich gar nicht erst erfahren.Vielleicht bin ich einfach noch nicht bereit dafür, ein „gedankenfreies Bewusstsein“zu erreichen, mein Selbst, mein inneres Potenzial und meine angeborenen Begabungen knallhart zu erkennen. Dass „an die Stelle von Angst, Sorge und Zorn“dann „Freude, Zufriedenheit, inneres Gleichgewicht und Frieden treten“, kann ich mir als Anwalt schlicht nicht leisten.
Viel passender erschien mir da das Faltblatt „Yoga im Business“, das ich sofort einsteckte, vor allem, weil auf dem Titelbild ein junger Mann im Anzug abgebildet ist, der barfuß, mit geschlossenen Augen und gekreuzten Beinen dasitzt. So wie sich der Laie eben Yogis im Geschäftsleben vorstellt. Es ging aber gar nicht darum, wie man als Geschäftsmann am besten Yoga praktiziert, sondern darum, wie man Yoga-Lehrer für Geschäftsleute wird. Offenbar, indem man diesen vermittelt, dass sie „psychosozial gesunde Menschen“sind und „als Wirtschaftsfaktor
der Zukunft“gelten. Nach meinen Erfahrungen aus dem Wirtschaftsleben sind bei Weitem nicht alle erfolgreichen Manager psychosozial voll auf der Höhe, vielleicht sollte man da mit Yoga ansetzen.
Nach der ganzen Faltblatttheorie wollte ich endlich meine mitgebrachte Yoga-Matte benutzen. Der Veranstalter hatte eigens für die Mitmacher unter den Besuchern zwei Yoga-Räume eingerichtet, in denen verschiedenste Veranstaltungen angeboten wurden. Deren jeweilige Unterschiede und Feinheiten waren aber wenn überhaupt nur für fortgeschrittene Yogis ersichtlich. Mir jedenfalls schwirrte schnell der Kopf angesichts von exotisch klingenden Angeboten wie Ashtanga-Yoga, Prana-Vinyasa-Flow-Yoga oder der Yoga-Vidya-Asana-Reihe. Bei welcher Spielart des Yogas sollte die Bewegung mit dem Atem verschmelzen, wobei die Energie den Körper angeblich mühelos trägt und sich die Wahrnehmung in einpünktiger Konzentration auflöst? Wer versprach, dass es sich um einen revolutionären Ableger des Vinyasa-Flow-Yogas handle, das von Krishnamacharyas Ashtanga-, Iyengar- und Vini-Yoga abstamme? Was genau gab vor, für körperliche, geistige und seelische Harmonie durch zwölf einfache Übungen aus dem traditionellen Hatha-Yoga zu sorgen?
Eigentlich
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