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Beim ersten Om wird alles anders

Titel: Beim ersten Om wird alles anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Dresen
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auch egal, jede Veranstaltung war überfüllt, selbst Becken- oder Meditations-Workshops. Dicht an dicht lagen die Matten und auf ihnen die Interessierten. Die erwartungsvollen Messebesucher, zum Teil in Jeans, oft in Socken, hörten hoch konzentriert auf die Anweisungen der Referenten, unbeeindruckt von den neugierigen Blicken der außerhalb der Räume stehenden Messebesucher, die wie im Zoo alles durch große Glasscheiben verfolgen konnten.

    Auch die Vortragsräume wurden von den Zuhörern fast gestürmt, egal ob es um Grundlegendes wie „Die Kunst des Atmens“oder um eher Abseitiges wie „Die grundlegenden Einflüsse der neun Planeten auf unser Leben und unsere Gesundheit“oder „Authentisches Indisches Ayurveda für eine ganzheitliche Gesundheitsprophylaxe und medizinische Wellness“ging. Obwohl ich mich bemühte, habe ich nicht wirklich verstanden, worin sich „Spirituelles Erwachen durch Sambodha - Das Chakrensystem in neuem Licht“unterscheidet von „Der Vedische Weg - das umfassende Programm zum spirituellen Erwachen“. Eher betrüblich, immerhin aber selbsterklärend war das Thema des Vortrags „Yoga für den Bauch. Verstopfung, Blähungen und Durchfall zeigen, dass die Verdauung durcheinander ist“.

    Nach ein paar Stunden auf der Messe wollte ich außer zahlreichen Prospekten auch etwas Dauerhaftes mit nach Hause nehmen.Von all den Sinneseindrücken wohl etwas verwirrt, griff ich zu knallblauen engen Shorts. Als ich sie kaufen wollte, teilte mir der Standbetreiber mit, dass die nur für Frauen sei. Männerbekleidung führen sie zwar, aber auf die Messe hätten sie die wegen des erwarteten geringen Interesses gar nicht erst mitgebracht. Ich könne aber online bestellen.
    Dann eben keine Hose. Kurz entschlossen tätigte ich einen Frustkauf, nämlich die für alle Geschlechter gleich unbequeme, aber sehr formschöne, eingangs bereits erwähnte Meditationsbank. Ich nutze sie seitdem regelmäßig. Zum Meditieren kam ich zwar noch nicht, aber gerne verfolge ich von ihr aus - wie vom Hersteller versprochen innerlich mal geöffnet, mal auch verschlossen, je nach Spielstand für oder gegen meine Mannschaft - Sportübertragungen
im Fernsehen. Nach einer Stunde sind meine Beine immer, wie der Werbeprospekt ebenfalls in Aussicht stellte, ganz entspannt und geerdet. Sie schlafen dann nämlich regelmäßig ein, und es ist höchste Zeit aufzustehen, sofern der schmerzende Rücken das noch erlaubt. Aber aus dem Schmerz folgt ja nicht selten Erkenntnis.

Der durchreisende Yogi
    Der Yoga-Orden der Jivamuktis pflegt den Brauch, dass seine Lehrer auf der ganzen Welt umherfliegen, um die verschiedenen regionalen Schulen zu besuchen und deren Programme zu bereichern. So kommt es, dass Münchner Lehrer in London oder Oslo unterrichten, und es führte auch dazu, dass George aus New Orleans für ein paar Tage nach München kam und dort Kurse gab.
    Angekündigt wurde er von einem örtlichen Yoga-Lehrer mit den Sätzen: „Am Wochenende ist dieser Typ aus Amerika da, der groß und schwer ist, eigentlich gar kein typischer Yogi. Geht hin, das wird ein Spaß.“Es gab sogar eine Art Flugblatt, auf dem mitgeteilt wurde, dass George bekannt sei für seine direkte Art, seinen Humor,
seine Wärme und seine Offenheit. Seine Übungen seien gekennzeichnet durch seine „hands-on assist“, seine zupackenden Hilfestellungen also, was nicht übertrieben war, wie ich bald selber feststellen konnte.Auf Fotos sah er sehr sympathisch aus, im Muscle-Shirt mit aufgedruckten Botschaften von Dr. Martin Luther King Jr.

    Die Stunde beginnt wie viele besondere Stunden, nämlich mit einem kollektiven Zusammenrücken, um allen Interessenten Platz zu machen. Dann entschuldigt George sich für sein Land, die USA. Dem folgt aber keine politische Erklärung, sondern der Hinweis, dass er es bedauere, wie alle Amerikaner nicht schon in jungen Jahren gut genug Fremdsprachen gelernt zu haben, um heute einen Kurs darin halten zu können.
    Besser als Deutsch beherrscht er Indisch oder Sanskrit, zumindest klingt es so, als er für scheinbar endlose Minuten mit Harmoniumbegleitung irgendetwas über Hare Krishna singt und wir Schüler die wechselnden Refrains mitsingen sollen. Auch nach einigen Monaten Yoga-Praxis ist dieses Gesinge nicht mein Ding: Es erinnert mich an die zahllosen religiösen Gottesdienste, die ich in meinen ersten Lebensjahrzehnten besucht habe. Als die Gesänge schließlich abebben, wird es mythologisch. George erzählt die Geschichte

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