Beim ersten Om wird alles anders
Armen geleiteten vier Lehrerarme mein rechtes Bein unfallfrei bis hinters Ohr und wieder zurück.
Mein persönliches Highlight war, dass mich David himself beim Vorbeigehen kurz, aber kräftig anfasste und meine zu dem Zeitpunkt ohnehin schon tiefe Vorwärtsbeuge in eine bis dahin nie für möglich gehaltene Dimensionen verlängerte.
Während der gesamten Vorführung erzählte David zu Musik und Vogelgezwitscher die anfängliche Vogelgeschichte immer weiter. Irgendwann endete sie damit, dass der Vogel als Belohnung für seinen Mut, sich dem Feuergott zu nähern, eine rote Kehlenfärbung erhielt.
Der Eindruck, einer eher kuriosen, amerikanisch geprägten Showveranstaltung beizuwohnen, wurde durch Sharon verstärkt, die direkt hinter mir ihre Matte ausgerollt hatte. Neben ihr lag anscheinend eine Bekannte, denn andauernd hörte ich die beiden kichern. Wenn es mal gerade nichts zu lachen gab, sprach Sharon, eine knapp 60-Jährige mit dem Körper und dem faltenlosen Gesicht einer 30-Jährigen, die Übungsanweisungen von David laut vor sich hin. Fast gewann ich den Eindruck, dass es sich um das Standardprogramm der beiden Lehrer handelte, das zwar immer nur einer von ihnen vorstellte, das aber beide auswendig hersagen können und aufgrund eines inneren Zwangs wohl auch müssen, selbst wenn sie gerade gar nicht dran sind.
Etwas irritierend fand ich, dass Sharon ständig die vom Band zu hörenden Lieder mitsummte oder sogar mitsang. Auch während der Endentspannung. In dieser zehnminütigen Ruhephase liegt man auf der Matte, es ertönt leise, sanfte Musik, allenfalls ein gelegentliches Schnarchen ist üblich und erlaubt. Dass jemand in diese andächtige Stille hinein mitsingt, hätte ich mir nicht vorstellen können. Aber Sharon ist ja irgendwie die Chefin, und ich konnte mich glücklich schätzen, vor ihr liegen zu dürfen, also nahm ich auch das hin, ohne mich zu beschweren, bei wem auch?
Der Schlusspunkt war denkwürdig. Als alle Lieder gesungen und alle Vogelabenteuer glücklich bestanden waren, beendete David die Veranstaltung, indem er alle Münchner Yoga-Lehrer nach vorne bat und die gesamte Truppe die Daumen unter die Achselhöhlen steckte und mit angedeuteten Flügelschlägen den Raum verließ, um kurz darauf unter Gelächter wieder zurückzukehren.
Das waren also die beiden führenden Yoga-Lehrer dieses Universum gewesen. Und von diesem eher uninspiriert wirkenden älteren Herrn und der albernen, nicht mehr ganz jungen Dame sprachen die wirklich beeindruckenden Münchner Yoga-Lehrer ausnahmslos bewundernd? Die Gründe dafür blieben mir verborgen, vielleicht gewinnen die beiden im direkten und persönlichen Gespräch, wer weiß.
Aber auch ich kann ab jetzt wenigstens beiläufig anmerken „David und Sharon? Die kenne ich vom 2009er Tribe Gathering. Eine unbeschreibliche Erfahrung. Mein Leben nahm eine grundlegende neue Richtung, seit er mir kurz an den unteren Rücken gefasst und sie mir lange ins Ohr gesungen hat.“
Später las ich dann, dass München für die beiden nur eine Station von vielen war. Zuvor waren sie in Hamburg und Berlin gewesen, danach flogen sie nach Istanbul, und wo sie heute gerade sind, wissen nur der Wind und die indischen Götter.
Außerdem erfuhr ich, dass ich mit der Geschichte vom Hummingbird und dem God of Fire noch richtig Glück gehabt und gut daran getan hatte, mich zu keinem Workshop anzumelden. In Hamburg und Berlin nämlich ging es deutlich härter zu als bei meiner kleinen Märchenstunde. In Hamburg wollte Sharon, Autorin des Buchs Yoga
and Vegetarianism , alle Teilnehmer dazu bekehren, Veganer zu werden. Dazu wurde ein Film über Massentierhaltung und Schlachtung gezeigt. In Berlin war es wohl auch kein Spaß, dort hat sie zu dem Thema ausgeführt, dass wir jeden Tag unbeabsichtigt anderen Lebewesen Leid zufügen. Wir treten leider ab und zu auf Ameisen, und jeder tötet regelmäßig ganze Familien von Lebewesen, die die ganze Nacht damit verbracht haben, Städte zu bauen und sich zu paaren. Sie meinte doch tatsächlich die Bakterien, die durch das tägliche Zähneputzen vernichtet werden. Schließlich hat David noch erklärt, dass Vegetarier zu sein schön und gut sei, aber wer Kühe davor schützen wolle, dass sie jeden Tag brutal gemolken werden, und verhindern wolle, dass man ihnen ihre Kinder stiehlt, der müsse schon Veganer werden.
Weihnachtsyoga
Heute ist Heiligabend. Ein Tag, den ich nicht mag. Zu feierlich, zu viel heile Welt, zu viel Weihnachtsmusik
Weitere Kostenlose Bücher