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Beim ersten Om wird alles anders

Titel: Beim ersten Om wird alles anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Dresen
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regelmäßigen Besuch im kleinen, inhabergeführten Restaurant um die Ecke.
    Das aber ist wohl Methode, denn wie ich später erfahre, beanspruchte der Inder Bikram Choudhury vor geraumer Zeit nicht nur die Markenrechte an der Bezeichnung „Bikram Yoga“, sondern auch die Patent- und Urheberrechte für die von ihm entwickelte Bikram-Yoga-Methode. Der „Yoga-Meister von Beverly Hills“, der mittlerweile weltweit mehrere Hundert Studios unter Lizenz hält und angeblich Multimillionär ist, ließ an zahlreiche Yoga-Lehrer
und -studios kostenpflichtige Anwaltsbriefe verschicken, in denen er diesen vorwarf, seine Übungen unbefugt zu verwenden. So wollte er sicherstellen, dass seine Konkurrenten die angeblich von ihm erstmalig so zusammengestellten Übungs- und Atemabfolgen künftig nur noch gegen Lizenzzahlungen praktizieren.
    Dieser Schritt hat Teile der so friedlichen Yoga-Bewegung aufgeschreckt. Die gemeinnützige Organisation Open Source Yoga Unity, die sich für die Freiheit des Yoga-Praktizierens einsetzt, reichte Gegenklage ein. Die Organisation vertritt die Auffassung, dass Yoga eine seit Jahrhunderten öffentlich praktizierte Tradition ist und deshalb niemand einen Yoga-Stil besitzen kann. Und schließlich wurde das Treiben des Herrn Choudhury sogar der indischen Regierung zu viel. Sie stellte eine Expertengruppe zusammen, der auch zehn altehrwürdige Yoga-Meister angehören, und beauftragte diese, die alten Yoga-Schriften nach Übungen zu durchforsten, die schon von alters her bekannt sind. Diese werden nachgeturnt, auf Video aufgenommen und in eine Datenbank eingespeist, die künftig vor weiteren Yoga-Patentanmeldungen konsultiert werden muss, um Geschäftemachern wie dem Bikram-Millionär das Handwerk zu legen.
    Mir hat schon eine einzige Stunde gereicht, um den Entschluss zu fassen, Herrn Choudhurys Studios keinen weiteren Besuch mehr abzustatten. Dass er nicht nur ein Prahlhans (siehe Kapitel „Yoga und Sex“), sondern auch ein Prozesshansel ist, womit er vielleicht in meine Berufs-, nicht aber in „meine“Yoga-Welt passt, hat mich in diesem Entschluss nur noch bestärkt.

Yogis müssen lernen, Erfolge zu verkraften
    Jetzt ist es so weit. Ich kann nicht mehr ohne. Ohne Yoga. Ich hatte so etwas Ähnliches zuvor schon gehört und es für Unsinn gehalten. Ein Bekannter hatte mir erzählt, dass er nach ein paar Yoga-Stunden abrupt wieder damit aufhörte, als er merkte, dass Suchtgefahr für ihn besteht. Dieses Risiko habe ich für mich ausgeschlossen. Früher war ich begeisterter Rennradfahrer, aber ich konnte im Winter problemlos über Monate und auch im Sommer über Wochen hinweg ohne eine derartige Betätigung auskommen, ohne dass ich den Eindruck hatte, mir würde etwas fehlen. Früher ging ich regelmäßig ins Fitnessstudio. Zum letzten Mal war ich dort vor zwei Jahren (und wenn mir
alle versammelten Yoga-Götter und -Gurus dieses Buch verzeihen und ich weiterhin Einlass in Yoga-Studios erhalte, werde ich wohl nie mehr eine Fitnessbude von innen sehen).

    Mit Yoga ist offenbar alles anders. Vor zwei Wochen war ich zum letzten Mal im Kurs. Vor zwei ganzen, endlos scheinenden Wochen. Danach beging ich den Fehler, das Wochenende Ski langlaufend in den Bergen zu verbringen. Dabei habe ich mich so erkältet, dass ich mich danach vom Sport befreien musste. Jetzt gerade, an einem Dienstagabend, wäre Open-Kurs bei meinem Lieblingslehrer Alexandros, dem strengen, aber charismatischen Griechen. Und ich kann nicht hin. Schon werde ich unruhig, horche in mich hinein, ob ich nicht erste Anzeichen einer auch psychischen Schwäche, gar einer heranziehenden Nervenkrise, entdecke. Ganz so schlimm ist es noch nicht, aber ich merke, wie ich unzufrieden werde, und spüre, dass mir eine mittlerweile lieb gewordene Gewohnheit fehlt.
    Als typisch überehrgeiziger Mann beschäftigt mich auch der Gedanke, ob ich die mühsam angeeigneten Übungen mangels Praxis alle sogleich wieder verlernen könnte. Um mich zu beruhigen, versuche ich im Wohnzimmer meiner Dachgeschosswohnung schnell einen Handstand und scheitere grandios. Zuerst komme ich wegen eines Hustenanfalls kaum hoch. Als ich endlich oben bin, knalle ich sofort gegen die Deckenschräge und ungebremst rücklings gegen den Wohnzimmertisch und in die dortige, von meiner Tochter liebevoll gebastelte Osterdekoration. Na ja, eigentlich mag ich keine Ostergestecke, aber es gibt bessere Arten, das auszudrücken, als mit dem Hinterkopf einige zuvor mühsam ausgeblasene Eier

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