Beim ersten Om wird alles anders
ausgestreckten Beinen seine Zehen berühren und dabei möglichst die Ellbogen auf den Boden bringen soll. Die Übung beginnt im Liegen und endet an den Zehen, der Weg dorthin wird in zwei ruckartigen Bewegungen ausgeführt. Die dabei praktizierte doppelte Atmung soll entgiften, von was auch immer, ich rauche nicht und trinke keinen Alkohol. Ach ja,Vegetarier bin ich auch noch.
Jedem Yoga-Schüler ist die nächste Übung bekannt, die Kobra, bei der man auf dem Bauch liegend die Hände neben der Brust am Boden aufstützt und den Oberkörper anhebt. Das soll wahre Wunderdinge bewirken. Eher für Frauen hilfreich dürfte sein, dass hierdurch wie so oft Menstruationsbeschwerden gelindert werden. Für uns Männer erfreulich ist, dass die Übung auch Konzentration und Willensstärke befördern soll.
Danach kommen die Rückbeugen, die zugegebenermaßen kaum ein Mann wirklich beherrscht, auch im Bikram-Kurs ist das so. Halbe Heuschrecke oder ganze Heuschrecke, wie auch immer sie heißen. Man liegt auf dem Bauch und hebt ein oder zwei gestreckte Beine so hoch wie möglich. Beim liegenden Bogen soll man die erhobenen Beine auch noch mit den Händen greifen. Auch hierdurch werden hilfreiche Körperfunktionen in Gang gesetzt, über die ich gar keine Details erfahren will und denen ich am liebsten ungestört ihren Gang lasse wie etwa der Anregung der Darmtätigkeit oder der Stimulation
von Leber oder Milz. Auch hier tritt selbstverständlich, so wird erzählt, eine Linderung von Menstruationsbeschwerden ein. Der Bogen immerhin hilft auch uns Männern, denn dadurch wird die Funktion der Prostata reguliert. Ich habe zwar eine Vorstellung davon, was die Prostata für eine Funktion hat, aber noch kann ich da alles unreguliert lassen. Mit zunehmendem Alter könnte sich das allerdings ändern, man hört da ja so einiges. Ich befürchte aber, dass ich als Rentner dann andere Sorgen habe, als den liegenden Bogen korrekt zu praktizieren.
Unterbrochen von unablässigen Korrekturen und Anfeuerungsrufen der Aufseherin und sich häufenden Trinkund Schweißabwischpausen nähert sich die 90-minütige Übungsstunde dem Ende. Übungen mit eher wenig beeindruckenden Bezeichnungen wie Kamel oder Hase schließen sich an, dann kommt noch der Drehsitz, wir legen uns lang hin, und dann erklärte Isabel den Kurs für beendet. Sie verlässt den Raum und sagt im Rausgehen, wer will, könne noch etwas liegen bleiben. Kaum jemand will, alle wollen raus aus der Sauna.
Ich gehe zusammen mit den fünf, sechs anderen Jungs in den Umkleideraum. Anders als nach den Yoga-Stunden bei den Jivas bin ich nicht in mich gekehrt und schweigsam, sondern innerlich aufgekratzt und will reden. So geht es auch den anderen, ich frage reihum, warum sie hier sind. Einer, ein Österreicher, sagt, dass er beruflich in der Stadt sei und immer in örtliche Bikram-Kurse gehe, wenn er in einer fremden Stadt ist. Gut, soll er machen, ist immer noch besser, als in der Kneipe rumzuhängen. Ein Münchner erklärt, dass er nur aus gesundheitlichen Gründen da sei, er leide unter Rückenbeschwerden und hoffe, dass ihm wie versprochen die Wärme guttue. Die anderen
waren wie ich keine Yoga-Anfänger, aber zum ersten Mal bei den Bikrams gewesen und wollten es einfach mal ausprobieren, um mitreden zu können, wenn es heißt, die ganz Harten, die machen Yoga in der Sauna.
Beim Abschied frage ich Isabel noch, ob sie denn nie Kopfstand oder Handstand praktizieren. Nein, das sei nicht nötig, ist ihre Antwort. Die genau abgestimmten 26 Übungen seien ebenso effektiv und ersetzten die anderswo praktizierten Haltungen. Da ich am liebsten eben jene hier verpönten Übungen mache, kommt Bikram für mich wohl dauerhaft nicht infrage. Die Hitze an sich stört mich nicht, ich halte sie aber für eher überflüssig, denn die Muskeln werden auch bei den Jivas erwärmt, das passiert schon ganz allein durch die Übungen, dazu muss man nicht 90 Minuten künstlich die Temperatur hochfahren.
Aber eine Erkenntnis überrascht mich. Mir gehen nicht nur das Rumgehampel der Instructorin und die Dauerbeschallung im Befehlston ziemlich auf die Nerven. Vor allem vermisse ich das spirituelle Erlebnis des Eingangsund Schlussgesangs, so wie er bei den Jivas gepflegt wird. Ebenso fehlen mir die sehr individuelle Ausstrahlung der dortigen Lehrer und die immer unterschiedliche Ausprägung der dortigen Kurse. Dagegen kommt mir die Bikram-Stunde vor wie der Besuch in einem Fast-Food-Restaurant im Vergleich zum
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