Beim ersten Om wird alles anders
Hauptgelenke, diese Haltung stimuliert das zentrale Nervensystem, fördert das Gleichgewicht, beugt Krampfadern vor und stärkt das Immun- und Lymphsystem.
Dann kommt eine Übung, die mich schon deshalb beeindruckt, weil es für sie gar keine deutsche Übersetzung gibt. Sie heißt nur „Standing Head to Knee“. Wie der Name schon sagt, muss man dazu auf einem Bein stehen
und das andere Bein waagrecht ausstrecken und sich auf das Knie lehnen. Überraschend viele der Fortgeschrittenen beherrschen das, ohne dabei zu stürzen. Wir Anfänger aber können nur staunend zusehen, sofern wir nicht beim ersten Versuch umgefallen sind. Wer diese Übung beherrscht, darf auf Anerkennung hoffen, aber auch Kritik wird schonungslos, vor allen und lautstark geübt: „Tim tiefer, Katja Po raus, Horst die Knie zusammen, Rainer in den Spiegel schauen und aufrichten. Kommt, noch zehn Sekunden, und dann noch einmal, stärker, das schafft ihr, nur noch fünf, noch vier, noch drei, noch zweiiii und Schluss.“Isabel könnte sofort als Senior Drill Instructor in einem Ausbildungslager der US-Marines anfangen oder, falls ihr das immer noch nicht hart genug wäre, auch als Moderatorin bei 9Live einsteigen, dem Mitmachsender im Fernsehen, wo die Zuschauer immer klare Ansagen und tolle Belohnungen fürs Mitmachen erhalten.
Ohne dass wir recht zu Atem kommen, sollen wir danach im stehenden Bogen ebenfalls auf einem Bein stehend das andere umfassen und nach hinten in die Höhe strecken, eine Haltung, die ich sonst immer bei weiblichen Eiskunstläuferinnen bewundere und selbst nur unzureichend nachahmen kann.
Endgültig an meine Grenzen bringt mich die „Separate Leg Stretching“-Übung, bei der es gilt, mit gespreizten Beinen dazustehen, sich hinunterzubeugen, die Knöchel zu umfassen und den Kopf auf der Matte abzulegen. Mein Kopf, trotz großer Anstrengungen noch weit über der Matte, ist dabei aber ungefähr fünf Zentimeter vom Po meiner direkt vor mir gebeugt stehenden Nachbarin entfernt. Das bringt mich in die peinliche Situation, entweder dort stehen zu bleiben, wo ich nun wirklich nichts verloren habe, oder aber von Isabel wegen unerlaubter Beendigung der Übung vor allen anderen angepflaumt zu werden.
Ich harre aus, irgendwann ist auch diese Übung zu Ende und der, soweit ich das in der Hektik sehen konnte, sehr wohlgeformte Po wieder außer direkter Sicht.
Ganz gut funktionieren die bei den Bikrams leicht abgewandelten Unterarten des Yoga-Kriegers und des Baums, die ich bereits von den Jivas kenne. Dann aber kommt wieder eine Übung, von der ich noch nie etwas gehört habe, und deren Ankündigung auch bei den Bikram-Profis so viel Schrecken hervorruft wie die Ansage „So, jetzt machen wir den Kopfstand“bei den Jivas. Der Zehenstand. Hierbei geht es darum, auf den Zehenspitzen eines Beins zu stehen und das andere angewinkelt in die Leiste zu legen. Weil alle so furchtbar schwitzen, geht das kaum. Das Bein rutscht weg.Verschämt halten manche das Bein fest, anstatt vorschriftsgemäß beide Hände gefaltet vor der Brust zu haben. Oder nehmen ein Handtuch als Anti-Rutschhilfe. Wer das Bein irgendwie befestigt hat, geht dann langsam in die Hocke, das sieht aus wie ein einbeiniger Yoga-Sitz und ist in natura so kurios, wie es sich liest. Als ich es versuchen will, werde ich sofort zurückgepfiffen: „Rainer, du noch nicht, das ist nichts für Anfänger.“Schade, das hätte ich wohl hinbekommen. Meine Hüftöffnungen hat ja bereits der große Alexandros als „Wahnsinn“bezeichnet. Da werde ich doch diesen Zehensitz schaffen. Aber Isabel lässt mich nicht. Noch nicht. Muss ich wohl wiederkommen.
Mittlerweile ist mir richtig warm, mein Kopf hat eine Farbe angenommen, die von Rot zu Purpur changiert. Als ich Bettina ins Gesicht sehe, bin ich beruhigt. Sie sieht genauso aus und lächelt mir zu.Wir halten durch!
Dann ist Schluss mit den Stehübungen, wir legen uns auf den Rücken und beginnen mit der „Wind Removing Pose“. Dazu ziehen wir einfach ein Knie an den Bauch, und schon wird etwas stimuliert, von dem ich nicht wusste,
dass ich es habe, geschweige denn stimulieren könnte. Die Darmperistaltik. Als wäre das nicht genug, soll diese Übung auch noch den Verdauungstrakt massieren. Vielleicht daher die Bezeichnung. „Wind“hat ja mehrere Bedeutungen, und nicht jeder riecht gut.
Insofern bin ich froh, dass es ohne Zwischenfälle rasch weitergeht mit dem Bikram-Sit-up. Das ist eine Vorbeugeübung, bei der man im Sitzen mit
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