Beim ersten Om wird alles anders
Schwitzen. Weiter spreche für Yoga, dass man keine Geräte anschaffen müsse, der Return on Investment also sehr hoch sei. Was man aber benötige, seien qualifizierte Yoga-Lehrer. Wie gut, dass er davon lebt, welche auszubilden, denke ich mir.
Laut Programmbroschüre folgen jetzt Grußworte der Honoratioren. Der Schirmherr, ein hoher EU-Parlamentarier aus der Gegend, konnte es leider nicht einrichten, will aber bald mal im Hotel vorbeischauen. Auch der Herr Bürgermeister wäre beinahe gekommen, ist aber leider kurzfristig verhindert, denn der Turnverein Horn feiert just an diesem Wochenende seinen 150. Geburtstag. Er verspricht ebenfalls, später mal vorbeizukommen. Der Vertreter der örtlichen IHK hat es aber bis ins Seminarhaus geschafft. Wieder - die Teppiche, die Teppiche - steht jemand ohne Schuhe auf dem Podium, ich starre auf seine Zehen und muss an Mr. Cooper aus der US-Kultserie Mad Men denken, der - aus nicht näher bekannten Gründen - nie Schuhe trägt. Wie Mr. Cooper trägt der IHK-Mann - die Seriosität, die Seriosität - einen dunklen Anzug. Er gesteht, kein Yoga zu machen, zeigt sich aber gebührend beeindruckt von einer Stunde, die die Vidyas mal vor der IHK-Belegschaft abgehalten haben.
Betriebliche Gesundheitsförderung mache Jung und Alt fit für die Wissensgesellschaft. Ältere werden wichtiger, um die müsse man sich bekanntlich kümmern, lautet sein Credo.
Von ganz anderem Kaliber ist der nächste Referent, den ich mir aus dem reichhaltigen Kongressprogramm ausgesucht habe. Er ist seines Zeichens Stressreduktionscoach, Kampfkunst- und Meditationslehrer, dazu noch Körperund Psychotherapeut und leitet eine eigene Weiterbildungsakademie für medizinische Berufe und Führungskräfte. Ein Mensch mit einer derartigen Häufung von Berufen heißt auch nicht Hans Müller, sondern mindestens Punito Michael Aisenpreis. Als solcher weiß er Interessantes zu berichten über Erfolgskontrolle beim Yoga. Nicht weiter überraschend angesichts seiner Berufe und Namen ist seine äußere Erscheinung. Er besticht durch ein tief aufgeknöpftes Hemd, dichtes, allerdings schon grau gelocktes Brusthaar, ein dunkles Sakko mit weißer (Kunst?-)Blume am Revers, verwaschener Jeans, Dreitagebart, leicht gebräuntem Teint, etwas lichter werdendem Haupthaar, Schuhe auch hier Fehlanzeige. Alles in allem wirkt er nicht unsympathisch, wie ein typischer, zwar leicht angejahrter, aber immer noch dynamischer ehemaliger Jungmanager. Auch seine Yoga-Vita beeindruckt. Er betreibt Yoga seit 1975, seit 30 Jahren ist er dazu noch Karatelehrer und so lange meditiert er auch, die Erleuchtung steht aber nach eigenen Worten noch aus, obwohl er schon für längere Zeit in Indien lebte.
Sein Vortrag befasst sich mit den Fragen, wie man Vitalität messen kann und ob Yoga eine nachweisbare Wirkung hat. Er spricht fachmännisch von Yin/Sympathikus, der für Kampf, Flucht, Angst,Wut, Anstrengung zuständig ist, und
seinem Wechselspiel mit dem Yang/Parasympathikus, der für Ruhe, Erholung, soziale Kommunikation und liebevolle Gefühle verantwortlich zeichnet.Yoga könne beide Bereiche Yin und Yang vereinen. Yoga komme „ins Business“, sei laut Focus „Kultsport“, sei auf dem Siegeszug, ein Milliardenmarkt. Herr Aisenpreis bekennt, in regelmäßigem Kontakt mit „Top-Business Business-Leadern“zu stehen. Diese, so seine Erkenntnis, schämen sich mittlerweile nicht mehr zuzugeben, dass sie Yoga machen. Dann kommt er zur Sache, seiner Sache. Herr Aisenpreis hat ein Gerät entwickelt, das in der Lage ist, die sogenannte HRV, die Herzratenvariabilität, als Steuerungsgröße für den Fitnesszustand zu messen. Eine hohe HRV, also starke Abweichungen zwischen der höchsten und der niedrigsten Herz(schlag)rate, ist ein Zeichen für ein gesundes Herz und demnach wünschenswert.
Als Negativbeispiel führt er die Werte einer dicken, rauchenden, gestressten alleinerziehenden Mutter an. Schlecht sind sie, die Werte, sehr schlecht, bedenklich schlecht, was man vielleicht auch ohne HRV-Messung geahnt hätte. Da hilft nur noch eine Auszeit. Als Gegenbeispiel zeigt er uns die Daten eines 45-Jährigen „mit den Werten eines 32-Jährigen“. Sapperlot, ein solcher 45-Jähriger wäre man auch gerne. Wer ist denn dieser Wunderknabe, und wie schafft man es, ihm nachzueifern? Herr Aisenpreis verrät nicht zu viel, wenn er in aller Bescheidenheit gesteht: „Aber diese Person hat auch viel für diese Werte getan, sie steht vor Ihnen.“Schließlich
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