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Beim ersten Om wird alles anders

Titel: Beim ersten Om wird alles anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Dresen
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Zielgruppe für Yoga-Lehrer seien stressgeplagte Leistungsträger. Da gebe es aber ein Problem, glaubt Herr Dr. Kugler festgestellt zu haben. Diese Spezies geht nicht in die Kurse, die muss man anders kriegen. Nur wie? Maßgeschneiderte Angebote? Persönliche Ansprache? Hat man weltanschauungsbasierte Berührungsängste? Soll man die Unternehmen aussuchen, die es am nötigsten haben? Deutsche Bank? Er sieht das eher entspannt. „Wir sind nicht profitorientiert, aber wir wollen leben können.“

    Ich gewinne so langsam den Eindruck, dass die Yogis hier von Wirtschaft eher wenig Ahnung haben. Meine Erwartungen sind deshalb entsprechend gedämpft, als ich mich in den kleinen Vortragssaal begebe, um zu hören, wie sich die selbst ernannten Business-Yogis „Entspannung und Meditation als Grundlage für Management“vorstellen. Referent ist zu meiner Überraschung kein ausgewiesener Experte des Wirtschaftslebens, sondern der Koch des Tagungshotels, Marcel. Er ist klein, hat, wie man es von einem Koch erwarten darf, einen Kugelbauch, trägt ein graues T-Shirt mit buntem Shanti-Peace-Symbol, dazu eine weite orangefarbene Hose, und er sieht aus, als sei er frisch aus der Küche, sozusagen zwischen der Zubereitung von Dinkeleintopf und Vollwerttiramisu, zu uns geeilt. Er stellt sich als Meditations- und Entspannungskursleiter vor und nimmt uns Zuhörer sofort für sich ein, indem er unsere
Vorurteile offensiv angeht. „Ich sehe zwar nicht so aus, bin aber auch Manager, ich habe Personalverantwortung.“Gut, dann überdreht er etwas, als er anfügt: „Ein Bauer kann mehr wissen als ein Prof. Dr. Dr.“
    Er berichtet, dass er sehr wohl zahlreiche Mitarbeiter habe und mit ihnen vor Teamsitzungen stets das dreimalige Om-Singen praktiziere. Danach fordere er seine Gruppe jedes Mal auf: „Wir gehen in die Stille. Jeder kommt erst mal bei sich an.“Damit ist wohl eine Art Kurzmeditation gemeint, ohne die bei den Vidyas erst gar nicht gekocht, zumindest nicht drüber geredet wird.
    Auch er ist nicht vor Gemeinplätzen gefeit. Er spricht davon, dass man in sich hineinspüren müsse, um bei seiner Kraft zu bleiben, zur inneren Mitte zu kommen, in den Körper hineinzukommen. Er rät zum Einbau von Entspannungsinseln in den Arbeitsalltag, man solle öfter mal die Augen zu machen, atmen, spüren, Bodyscan durchführen, durch den Körper wandern und beobachten. Oft helfe schon, sich aufrecht hinzusetzen, das Bewusstsein durch den Körper zu schicken. Wichtig hierfür sei, einen Bewusstseinswandel herbeizuführen, etwa indem man durch gutes Beispiel vorangeht. Das fällt dann auf, dann wollen auch die Kollegen mitmachen. Konkreter sind seine Erläuterungen zum Ablauf von Meditationsphasen. Es gibt demnach fünf Phasen. Die Phase der Hindernisse. Die Beine schmerzen, der Geist wandert. Die anschließende Phase der Entspannung. Alles fährt runter und führt über in die Phase der Konzentration. Man kann noch Gedanken im Geist haben, hat aber anderen Umgang mit den Gedanken. Es folgt die Phase der essenziellen Qualitäten. Man ist bereit für tiefere spirituelle Erfahrungen, Licht, Energie, Intuition. Das alles führt dann zur Phase der Nondualität. Hier erfährt man, wer man wirklich ist. Objekt und Subjekt verschmelzen. Immerhin,
der Weg dorthin ist auch für Marcel, den Koch, noch weit. „Ich bin nicht erleuchtet, ich weiß nicht, wie das ist“, lautet sein offenes und sympathisches Bekenntnis am Ende eines eloquenten, völlig frei gehaltenen Vortrags, des besten, den ich hier erlebt habe.

    Danach besuche ich eine Stunde sogenanntes Fitness-Yoga. Der Lehrer ist wirklich fit, die anderen Teilnehmer aber, darunter nicht wenige Yoga-Lehrer, meist auf erschreckend schwachem körperlichem Niveau. Vielleicht schonen sie sich auch nur für die Abendveranstaltung, das „Mantra-Singen für den Weltfrieden“oder für die Frühveranstaltung um fünf Uhr morgens, die „Homa“, das indische Feuerritual. Keine Ahnung, was genau dort passiert ist, ich habe genug für den Tag und gehe schlafen, lange schlafen.

    Am nächsten Morgen darf Sukadev Bretz noch mal ran. Er erläutert die Vorteile von Yoga für die betriebliche Gesundheitsförderung. Erster Punkt ist doch tatsächlich der Umstand, dass Herr Bretz meint, wer Yoga-Übungen ausführt, benötigt danach keine Dusche, als Arbeitgeber spart man sich also deren Installation und Wasserkosten. Kein Wunder, so wie gestern die Teilnehmer beim Fitness-Yoga drauf waren, kommt auch niemand ins

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