Beim ersten Om wird alles anders
Yoga and Vegetarianism der Yoga-Expertin Sharon Gannon. Natürlich hat Foer recht, wenn er anprangert, dass 21.000 Tiere, von denen 99 Prozent aus Massentierhaltung stammen, für die Ernährung eines durchschnittlichen Amerikaners sterben müssen. Selbstredend ist es schrecklich, dass beim Fang von Thunfisch 145 andere Tierarten, Fische, Vögel, Säugetiere, mit im Netz landen und dann sozusagen nebenbei sterben. Natürlich haben Tierschutzverbände gute Argumente, wenn sie die Frage stellen, ob allein in Deutschland wirklich jährlich 500 Millionen Hühnerküken getötet und 500.000 Schweine verbrüht werden müssen? Wer möchte widersprechen, wenn gefragt wird, ob es nicht möglich sei, den Durchschnittsverbrauch von knapp 220 Eier pro Kopf, macht rund 18 Milliarden Eier pro Jahr, in Deutschland zu verringern?
Vielleicht liegt jene Radikalität daran, dass beide Autoren erst als Erwachsene durch bewusste innere Umkehr den Weg vom Fleischesser zum Vegetarier gefunden haben und es jetzt wie die meisten Konvertiten am liebsten hätten, wenn ihnen alle anderen Menschen auf Erden folgten.
Mir jedoch fehlt ein derartiger bewusster Erkenntnisgewinn im Erwachsenenalter. Meine eigene Entscheidung, ohne Fleisch zu leben, habe ich viel weniger bewusst, dafür aber schon im Alter von viereinhalb Jahren getroffen. Schuld daran waren zwei Lebewesen mit Namen, die -
anders als die neuerdings wieder angesagten Jungennamen wie beispielsweise Paul und Friedrich - erlauben, die Namensträger altersbezogen klar einzuordnen. Es geht um Gustav und Kurt. Lebewesen mit solchen Namen, davon kann man mit ziemlicher Sicherheit ausgehen, sind vor langer Zeit geboren und heute mutmaßlich alt oder bereits tot. Auf Gustav und Kurt trifft dies zu. Beide sind tatsächlich längst tot, wenn auch aus unterschiedlichen, im Fall von Kurt allerdings durchaus miteinander verwobenen Gründen.
Eines Tages besuchte ich ohne Vorankündigung meine nahe bei meinem Elternhaus wohnenden Großeltern. Es war ein warmer Tag kurz vor Ostern, meine Oma machte mir die Tür auf, und ich rannte gleich hoch in die im ersten Stock gelegene Wohnung und raus auf den Balkon. Sie rief mir von unten noch hinterher, ich solle nicht auf den Balkon gehen, aber es war zu spät. Schon stand ich draußen und sah eine Kiste, die ich dort noch nie gesehen hatte. Ich trat näher und öffnete den Deckel und sah Kurt. Kurt war ein süßer kleiner Hase, der mir seine Schnauze entgegenreckte. Endlich, so dachte ich, hatte mein Opa Gustav meinen Wunsch erhört und mir von seinen beruflichen Fahrten zu den umliegenden Bauernhöfen - er tauschte da auf Grundlage eines mir auf ewig ein Rätsel bleibenden Geschäftsmodells fertig produzierte Nudeln gegen Weizen, aus dem dann sein Arbeitgeber wieder Nudeln machte - das heiß ersehnte Haustier mitgebracht.
Eigentlich hätte ich ja lieber einen Hund gehabt, aber ein Hase war mir auch recht.Vorsichtig nahm ich ihn aus der Kiste, kuschelte ihn an mich und nannte ihn Kurt. Kurt der Hase. Da kam auch schon mein Opa aus dem Wohnungsinneren auf den Balkon und machte der mittlerweile
ebenfalls anwesenden Oma lautstark Vorwürfe: „Ich habe dir doch gesagt, du sollst den Kleinen nicht auf den Balkon lassen, jetzt müssen wir sehen, wie wir damit umgehen.“Obwohl ich nicht verstand, was er meinte, habe ich sofort bemerkt, dass Opa Gustav böse war, und das war seltsam. Denn Opa Gustav war sonst nie böse, sondern der liebste Opa der Welt. Ich hatte also offenbar etwas ganz Schlimmes getan, aber ich wusste beim besten Willen nicht, was. „Gib mir den Hasen und geh nach Hause“, fuhr er mich an.
So kannte ich Opa gar nicht. Sonst war er der sanfteste Mensch der Welt, immer gut gelaunt, immer nett zu uns Kindern. Ich verstand nichts, aber ich wusste, dass etwas Seltsames vorging. Deshalb verabschiedete ich mich, ging die Treppe runter und auf die Straße. Dann aber machte ich kehrt und lief in den Garten, weil ich gesehen hatte, dass Opa auch dorthin ging. Unbemerkt schlich ich mich hinter einen Busch und sah, dass Opa sich zur Gartenhütte begab. Und er war nicht allein, er hatte doch tatsächlich Kurt dabei. Er hielt ihn an den langen Ohren gepackt und kümmerte sich nicht um Kurts Gezappel und um die seltsamen Laute, die Kurt von sich gab, als wüsste er, dass ihn nichts Gutes erwartete.
Opa ging in die Hütte, griff nach einem Knüppel und schlug einmal kräftig auf Kurts Kopf. Sofort hörte Kurt auf zu zappeln und war stumm. Kurt war nicht
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