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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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freigenommen. Wir sind durch Krankheit verbunden.
    Wir schweigen wieder. Ich schaue mich um und bemerke, daß angeregte Gespräche überwiegend an Tischen stattfinden, wo junge und schick gekleidete Leute sitzen. Die älteren Paare, die, an deren Fingern Eheringe mit dem Silberbesteck um die Wette funkeln, essen wortlos. Liegt es daran, daß sie sich so wohl miteinander fühlen? Oder wissen sie bereits, was der andere denkt? Oder haben sie sich ab einem bestimmten Zeitpunkt einfach nichts mehr zu sagen?
    Als der Kellner kommt, um unsere Bestellung entgegenzunehmen, wenden wir uns ihm beide eifrig zu, dankbar, daß jemand uns die Erkenntnis erspart, wie fremd wir uns geworden sind.
    Wir verlassen das Krankenhaus mit einem ganz anderen Kind als dem, das wir hergebracht hatten. Kate bewegt sich vorsichtig, schaut in den Schubladen nach, ob sie auch nichts vergessen hat. Sie ist so stark abgemagert, daß ihr die Jeans nicht mehr paßt; wir müssen zwei Kopftücher zusammenknoten und sie ihr als Gürtel umbinden.
    Brian ist schon nach unten gegangen, um den Wagen vorzufahren. Ich packe die letzten Comic-Hefte und CDs in Kates Reisetasche. Sie stülpt sich eine Fleecemütze über die glatte, kahle Kopfhaut und wickelt sich einen Schal um den Hals. Sie setzt sich einen Mundschutz auf und zieht sich Handschuhe an. Jetzt, da wir uns aus dem Krankenhaus trauen, ist sie es, die Schutz braucht.
    Als wir die Tür öffnen, empfängt uns Applaus vom Pflegepersonal, das wir inzwischen richtig gut kennengelernt haben. »Untersteh dich, noch einmal herzukommen«, witzelt der Pfleger Willie.
    Nachdem sich alle einzeln von uns verabschiedet haben und wieder an die Arbeit gegangen sind, lächele ich Kate an. »Können wir?«
    Kate nickt, aber sie rührt sich nicht von der Stelle. Sie steht wie angewurzelt da, denn ihr wird mit einem Mal bewußt, daß sich alles ändert, sobald sie einen Fuß durch die Tür gesetzt hat. »Mom?«
    Ich nehme ihre Hand. »Ich helfe dir«, sage ich, und Seite an Seite machen wir den ersten Schritt.
    In der Post sind lauter Krankenhausrechnungen. Wir haben erfahren, daß die Versicherung nicht bereit ist, sich mit der Rechnungsabteilung des Krankenhauses in Verbindung zu setzen, und umgekehrt, aber keine von beiden Parteien glaubt, daß die Forderungen korrekt sind – mit der Folge, daß sie uns Posten in Rechnung stellen, die wir gar nicht bezahlen müßten, in der Hoffnung, daß wir so dumm sind, es doch zu tun. Die finanzielle Seite von Kates medizinischer Behandlung zu verwalten ist so zeitaufwendig, daß weder Brian noch ich das erledigen können.
    Ich werfe einen Blick in eine Supermarktwerbung, blättere in einem Reiseprospekt und überfliege die neusten Ferngesprächtarife der Telefongesellschaft, bevor ich den Brief von der Investmentgesellschaft öffne. Normalerweise schenke ich solchen Dingen keine große Beachtung. Alles Finanzielle, das über das Girokonto hinausgeht, ist Brians Ressort. Außerdem, die drei Fonds, die wir haben, sind ausschließlich für die Ausbildung der Kinder bestimmt. Wir haben nun mal kein Geld übrig, um an der Börse zu spekulieren.
    Sehr geehrter Mr. Fitzgerald ,
    hiermit teilen wir Ihnen mit, daß der auf Ihren
    Namen – Brian D . Fitzgerald – laufende Fonds mit
    der Nummer 323456 zugunsten Ihrer Tochter –
    Katherine S. Fitzgerald – durch die kürzlich erfolgte
    Auszahlung in Höhe von $ 8369,56 aufgelöst ist .
    Falls sich die Bank da einen Fehler geleistet hat, dann ist der ziemlich gravierend. Wir überziehen zwar schon mal das Girokonto, aber achttausend Dollar sind schon ein anderes Kaliber. Ich gehe in den Garten, wo Brian gerade den Gartenschlauch aufrollt. »Sieh dir das mal an, entweder da hat einer bei der Bank Mist gebaut«, sage ich und reiche ihm das Schreiben, »oder die heimliche Geliebte, die du unterstützt, ist ab sofort kein Geheimnis mehr.«
    Er braucht eine Sekunde zu lang, um den Brief zu lesen, und in derselben Sekunde begreife ich, daß es sich nicht um einen Fehler handelt. Brian wischt sich mit dem Handgelenk über die Stirn. »Ich hab das Geld abgehoben«, sagt er.
    Â»Ohne mir ein Wort zu sagen?« Ich will nicht glauben, daß Brian das getan hat.
    Â»Die Jungs auf der Wache haben einen Spendenaufruf gemacht, das hab ich dir ja erzählt. Sie haben zehntausend Dollar

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