Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
zusammengekriegt. Wenn wir das Geld von dem Fonds drauflegen, ist das Krankenhaus bereit, uns eine Ratenzahlung zu bewilligen.«
    Â»Aber du hast gesagt –«
    Â»Ich weiß, was ich gesagt habe, Sara.«
    Ich schüttele fassungslos den Kopf. »Du hast mich belogen?«
    Â»Ich wollte nicht –«
    Â»Zanne hat uns doch –«
    Â»Ich lasse nicht zu, daß deine Schwester für Kate bezahlt«, sagt Brian. »Ich kann allein für Kate sorgen.« Der Schlauch fällt zu Boden, tropft und spritzt uns die Füße naß. »Sara, sie wird nicht alt genug werden, um das Geld fürs College zu brauchen.«
    Die Sonne ist hell. Der Sprinkler zischt auf dem Gras, sprüht Regenbögen. Es ist ein viel zu schöner Tag für solche Worte. Ich drehe mich um und laufe ins Haus. Ich schließe mich im Badezimmer ein.
    Gleich darauf klopft Brian an die Tür. »Sara? Sara, es tut mir leid.«
    Ich tue so, als würde ich ihn nicht hören, als hätte ich kein Wort von dem gehört, was er gesagt hat.
    Zu Hause tragen wir alle einen Mundschutz, damit Kate keinen tragen muß. Ich werfe unwillkürlich einen Blick auf ihre Fingernägel, wenn sie sich die Zähne putzt oder Cornflakes eingießt, um zu sehen, ob die dunklen Furchen, die von der Chemo stammen, verschwunden sind – ein sicheres Zeichen, daß die Knochenmarktransplantation erfolgreich war. Zweimal am Tag gebe ich Kate eine Wachstumsfaktorspritze in den Oberschenkel, was notwendig ist, bis die Zahl der neutrophilen Granulozyten tausend übersteigt. Ab dann bildet sich das Knochenmark von allein weiter.
    In die Schule darf sie noch nicht wieder, daher lassen wir uns den Unterrichtsstoff nach Hause schicken. Ein- oder zweimal ist sie mitgekommen, Anna von der Schule abzuholen, aber sie weigert sich, aus dem Auto zu steigen. Sie fährt brav mit ins Krankenhaus zum regelmäßigen Blutbild, aber wenn ich anschließend vorschlage, einen Abstecher in die Videothek zu machen oder einen Donut essen zu gehen, will sie nicht.
    An einem Samstagmorgen ist die Zimmertür der Mädchen nur angelehnt. Ich klopfe leise. »Lust auf einen Einkaufsbummel?«
    Kate zuckt die Achseln. »Jetzt nicht.«
    Ich lehne mich gegen den Türrahmen. »Täte dir gut, mal ein bißchen rauszukommen.«
    Â»Keine Lust.« Obwohl ich sicher bin, daß sie selbst es nicht mal merkt, streicht sie sich mit der flachen Hand über den Kopf.
    Â»Kate«, setze ich an.
    Â»Sag es nicht. Erzähl mir nicht, daß die Leute mich nicht anstarren werden, denn das werden sie. Erzähl mir nicht, es ist egal, denn das ist es nicht. Und erzähl mir nicht, daß ich gut aussehe, denn das ist gelogen.« Ihre wimpernlosen Augen füllen sich mit Tränen. »Ich bin ein Freak, Mom. Sieh mich doch an.«
    Ich tue es, und ich sehe die Stellen, wo die Augenbrauen einmal waren, und die Wölbung ihrer endlosen Stirn und die kleinen Dellen und Beulen, die normalerweise unter den Haaren versteckt sind. »Na«, sage ich ruhig. »Das läßt sich ändern.«
    Ohne ein weiteres Wort marschiere ich die Treppe hinunter, weil ich weiß, daß Kate mir folgen wird. Unten komme ich an Anna vorbei, die ihre Buntstifte fallen läßt, um hinter ihrer Schwester herzutrotten. Im Keller krame ich einen uralten Scherapparat hervor, dann rasiere ich mir eine Schneise von vorn nach hinten mitten durch die Haare.
    Â»Mom!« keucht Kate.
    Â»Was denn?« Eine braune Haarwelle landet auf Annas Schulter. Sie nimmt sie vorsichtig in die Hand. »Es sind nur Haare.«
    Als ich mir erneut mit dem Apparat über den Kopf fahre, muß Kate lächeln. Sie zeigt auf eine Stelle, die ich vergessen habe, ein kleiner Schopf, der wie ein verlorener Wald da steht. Ich setze mich auf einen umgedrehten Milchkasten und lasse mir die andere Kopfhälfte von Kate rasieren. Anna setzt sich auf meinen Schoß. »Dann ich«, bettelt sie.
    Eine Stunde später spazieren wir drei Hand in Hand durchs Einkaufszentrum, ein Trio kahlköpfiger Mädchen. Stundenlang bummeln wir durch die Geschäfte. Überall drehen sich Köpfe nach uns um und flüstern Stimmen. Wir sind wunderschön, wir drei.

DAS WOCHENENDE
    Kein Rauch ohne Feuer.
    JOHN HEYWOOD,
› Sprichwörter‹

JESSE
    Streiten Sie es nicht ab – Sie sind auch schon auf einem Highway nach Feierabend an einem abgestellten Bulldozer oder

Weitere Kostenlose Bücher