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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Woche hatte, stank es mir schon gewaltig, zusammen mit den Kindern auf ihren Dreirädern über die Bürgersteige zu gurken.
    Ich flehte meinen Vater an, mit mir zum Parkplatz vom K-Mart oder zum Basketballplatz der Schule oder sonstwohin zu fahren, wo ich mein Skateboard mal so richtig ausprobieren konnte. Er versprach mir, daß wir am Freitag, nach einer der üblichen Knochenmarkspunktionen bei Kate, alle zusammen zur Schule fahren würden. Ich könnte mein Skateboard mitnehmen, Anna ihr Fahrrad und Kate, wenn sie sich entsprechend fühlte, ihre Rollerblades.
    Mann, was hab ich mich darauf gefreut. Ich fettete die Räder des Skateboards ein und putzte die Unterseite und übte Drop-ins auf einer Rampe, die ich mir mit Sperrholz und einem dicken Holzklotz gebastelt hatte. Als ich den Wagen kommen sah – meine Mom und Kate kamen vom Hämatologen zurück –, lief ich schon auf die Veranda, um nur ja keine Zeit zu verlieren.
    Doch dann stellte sich heraus, daß auch meine Mutter sehr in Eile war. Denn als die Tür vom Van aufglitt, sah ich Kate voller Blut. »Hol deinen Vater«, befahl meine Mutter, die Kate einen Bausch Taschentücher ans Gesicht hielt.
    Es war nicht das erste Mal, daß sie Nasenbluten hatte. Und meine Mom hatte mich immer, wenn mir das viele Blut einen Schrecken einjagte, damit beruhigt, daß es schlimmer aussähe, als es war. Aber ich holte meinen Vater trotzdem, und beide brachten Kate schleunigst ins Bad und versuchten, sie vom Weinen abzuhalten, weil das alles nur noch schlimmer machte.
    Â»Dad«, sagte ich. »Wann gehen wir denn?«
    Aber mein Vater hatte alle Hände voll damit zu tun, Klopapier abzureißen und zusammenzuknüllen und Kate unter die Nase zu halten. »Dad?« wiederholte ich.
    Mein Vater sah mich an, aber er antwortete mir nicht. Und seine Augen waren glasig und schauten durch mich hindurch, als wäre ich aus Rauch.
    Da dachte ich zum ersten Mal, daß ich das vielleicht tatsächlich war.
    Feuer ist irgendwie hinterhältig – es schleicht, es leckt, es dreht sich um und lacht. Und, Mann, es ist wunderschön. Wie ein Sonnenuntergang, der alles frißt, was ihm in die Quere kommt. Zum ersten Mal ist jemand dabei, der mein Werk bewundert. Neben mir macht Dan ein kleines Geräusch im Rachen – Respekt, keine Frage. Doch als ich ihn stolz anblicke, sehe ich, daß er den Kopf tief in den fettigen Kragen seiner Armeejacke gezogen hat. Tränen laufen ihm über das Gesicht.
    Â»Dan, Menschenskind, was hast du denn?« Schön, der Typ ist nicht ganz dicht, aber trotzdem. Als ich ihm meine Hand auf die Schulter lege, reagiert er, als wäre ein Skorpion dort gelandet. »Hast du Schiß vor dem Feuer, Danny? Mußt du nicht. Wir sind weit genug weg. Wir sind in Sicherheit.« Ich lächle ihn an und hoffe, daß es aufmunternd wirkt. Was wenn er durchdreht und losschreit, die Cops alarmiert?
    Â»Der Schuppen da«, sagt Dan.
    Â»Ja. Den wird keiner vermissen.«
    Â»Da wohnt … die Ratte.«
    Â»Jetzt nicht mehr«, sage ich.
    Â»Aber … die Ratte –«
    Â»Tiere bringen sich vor Feuer in Sicherheit. Glaub mir. Der Ratte geht’s gut. Entspann dich.«
    Â»Aber die Ratte hatte doch so viele Zeitungen. Er hat sogar noch eine mit der Ermordung von Präsident Kennedy –«
    Mir kommt der Verdacht, daß die Ratte vielleicht gar kein Nagetier ist, sondern ein anderer Penner. Einer, der in dem Schuppen haust. »Dan, soll das heißen, in dem Schuppen wohnt einer?«
    Er blickt auf die hoch lodernden Flammen, und Tränen treten ihm in die Augen. Dann wiederholt er meine eigenen Worte. »Jetzt nicht mehr«, sagt er.
    Wie gesagt, ich war elf, deshalb ist mir bis heute schleierhaft, wie ich es überhaupt von unserem Haus in Upper Darby bis mitten in die Innenstadt von Providence geschafft habe. Ich muß Stunden gebraucht haben. Wahrscheinlich dachte ich, mit meinem neuen Superheldenunsichtbarkeitsumhang könnte ich einfach verschwinden und irgendwo an einem ganz anderen Ort wieder auftauchen.
    Ich machte einen Probelauf. Ich marschierte durch das Geschäftsviertel, und tatsächlich, die Leute gingen einfach an mir vorbei, die Augen auf die Risse im Pflaster gerichtet, wenn sie nicht wie Bürozombies nur stur geradeaus starrten. Ich kam an einer langen Gebäudefassade aus Spiegelglas vorbei, in dem ich mich sehen konnte. Ich blieb eine

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