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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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überzeugen, daß es keinen Weihnachtsmann gibt. Mom und Dad bringen die Geschenke , erklärte er, und ich wehrte mich mit Händen und Füßen dagegen. Aber ich beschloß, seine Theorie zu testen. Kurz vor Weihnachten schrieb ich einen Brief an den Weihnachtsmann und bat ihn, mir meinen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen: einen Hamster. Ich warf den Brief im Briefkasten vom Schulsekretariat ein. Und ich sagte kein Sterbenswörtchen zu meinen Eltern, machte aber die eine oder andere Andeutung, was ich mir für Spielsachen erhoffte.
    Unter dem Weihnachtsbaum lagen schließlich der Schlitten und das Computerspiel und die besondere Batikdecke, alles, was ich meiner Mutter gegenüber erwähnt hatte, aber den Hamster bekam ich nicht, weil sie von dem Wunsch nichts wußte. In dem Jahr lernte ich zwei Dinge: daß weder der Weihnachtsmann noch meine Eltern so waren, wie ich sie gern gehabt hätte.
    Vielleicht denkt Campbell, hier geht es um mein Recht, doch in Wahrheit geht es um meine Mutter. Ich stehe auf und fliege in ihre Arme, die für mich ein so vertrauter Platz im Leben sind. Meine Kehle zieht sich schmerzhaft zusammen, und all die Tränen, die ich zurückgehalten habe, kommen aus ihrem Versteck.
    Â»Oh, Anna«, weint sie in mein Haar. »Gott sei Dank. Gott sei Dank.«
    Ich drücke sie doppelt so kräftig, wie ich es normalerweise tue, versuche, diesen Moment genauso festzuhalten wie das schräg einfallende Sommerlicht. Ich lege die Lippen an ihr Ohr, und schon während ich es sage, wünschte ich, ich täte es nicht. »Ich kann nicht.«
    Der Körper meiner Mutter versteift sich. Sie schiebt mich von sich weg und starrt mich an. Dann setzt sie ein Lächeln auf, das an mehreren Stellen gebrochen ist. Sie berührt mich oben am Kopf. Das ist alles. Sie erhebt sich, streicht ihren Blazer glatt und verläßt das Büro.
    Auch Campbell steht auf. Er geht vor mir in die Hocke, dort, wo meine Mutter war. Auge in Auge wirkt er ernster, als ich ihn je erlebt habe. »Anna«, sagt er. »Willst du das wirklich?«
    Ich öffne den Mund. Und finde eine Antwort.
    JULIA
    Â»Glaubst du, ich mag Campbell, weil er ein Idiot ist«, frage ich meine Schwester, »oder obwohl er einer ist?«
    Â»Pssst«, sagt Izzy von der Couch. Sie sieht sich ›So wie wir waren‹ an, einen Film, den sie schon zigtausendmal gesehen hat. Er steht auf ihrer Liste von »Filmen, die man immer wieder sehen muß«, neben ›Pretty Woman‹, ›Ghost – Nachricht von Sam‹ und ›Dirty Dancing‹. »Wenn ich deinetwegen das Ende verpasse, Julia, bring ich dich um.«
    Â»â€ºMach’s gut, Katie‹«, zitiere ich für sie. »›Du auch, Hubbell.‹«
    Sie wirft mit einem Sofakissen nach mir und wischt sich die Augen, als die Titelmusik anschwillt. »Barbra Streisand«, sagt Izzy, »ist der pure Wahnsinn.«
    Â»Ich dachte, so was sagen nur schwule Männer.« Ich blicke über den Tisch mit Unterlagen hinweg, die ich für die Anhörung morgen studiere, um meine Empfehlung an den Richter zu formulieren, was meiner Ansicht nach für Anna das beste ist. Das Problem ist nur: es spielt keine Rolle, ob ich mich für ihren Antrag oder dagegen ausspreche. Ihr Leben ist so oder so ruiniert.
    Â»Ich dachte, wir haben über Campbell geredet«, sagt Izzy.
    Â»Nein, ich habe über Campbell geredet. Du hast geschmachtet.« Ich reibe mir die Schläfen. »Ich dachte, du wärst etwas mitfühlender.«
    Â»Wegen Campbell Alexander? Mitfühlender? Mein Beileid kannst du haben.«
    Â»Ich leide nicht.«
    Â»Hör mal, Julia. Vielleicht ist das ja erblich bedingt«, sagt Izzy. Sie kommt zu mir und fängt an, mir die Schultern zu massieren. »Vielleicht hast du ein Gen in dir, durch das du Vollidioten anziehend findest.«
    Â»Dann hast du es auch.«
    Sie lacht. »Der Punkt geht an dich.«
    Â»Ich möchte ihn ja hassen. Nur damit du’s weißt.«
    Izzy greift mir über die Schulter, nimmt meine Coladose und trinkt sie leer. »Hast du nicht gesagt, eure Beziehung wäre rein beruflich?«
    Â»Ist sie auch. Nur eine schwindend geringe Stimmenminderheit in meinem Kopf wünscht sich, es wäre anders.«
    Izzy setzt sich wieder auf die Couch. »Das Problem ist eben, die erste oder den ersten vergißt du nie. Und auch wenn dein schlauer Verstand dir rät,

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