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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Kinder, die krank sind. Es sind auch Ärzte und Krankenschwestern dabei, für alle Fälle, und es findet in einem der Konferenzsäle hier im Krankenhaus statt. Aber ansonsten ist es wie ein ganz normaler Schulball. Du weißt schon, lahme Band, häßliche Smokings und der Punsch mit einem Schuß Blutplättchen.« Er schluckt. »Das letzte war ein Witz. Jedenfalls, ich bin letztes Jahr allein hingegangen, und das war ziemlich öde, aber da du Patientin bist und ich Patient, hab ich gedacht, wir könnten dieses Jahr vielleicht zusammen hingehen.«
    Mit einer Selbstsicherheit, die ich Kate nie zugetraut hätte, denkt sie über das Angebot nach. »Wann ist das?«
    Â»Samstag.«
    Â»Ich hab nicht vor, genau an dem Tag ins Gras zu beißen.« Sie strahlt ihn an. »Ich würde sehr gern hingehen.«
    Â»Super«, sagt Taylor lächelnd. »Echt super.«
    Ich frage mich, ob die Wirkung des Medikaments sich verändert, wenn ihr Herz schneller pumpt. Ob ihr dann früher schlecht wird oder später.
    Taylor nimmt Kate in den Arm. Gemeinsam warten sie ab, was als nächstes passiert.
    Â»Der ist zu tief«, sage ich, als Kate sich ein blaßgelbes Kleid vorhält. Anna, die in der Boutique auf dem Boden sitzt, verkündet auch ihre Meinung. »Damit sähst du aus wie eine Banane.«
    Wir sind seit Stunden auf der Suche nach einem Ballkleid. Kate hat nur zwei Tage, um sich auf das Fest vorzubereiten, und redet über nichts anderes mehr: was sie anziehen soll, wie sie sich schminken soll, ob die Band auch mal was halbwegs Anständiges spielen wird. Ihr Haar ist natürlich kein Thema; nach der Chemo hat sie keins mehr. Sie haßt Perücken – sie sagt, die fühlen sich an, als hätte sie irgendwelche Viecher auf dem Kopf –, aber ganz ohne was zu gehen, traut sie sich nicht. Heute hat sie sich ein Batiktuch um den Kopf gewickelt, wie eine stolze, bleiche afrikanische Königin.
    Die Realität unserer Shoppingtour hat Kates Träume zerplatzen lassen. Kleider, die normale Mädchen auf Schulbällen tragen, sind bauch- oder schulterfrei, und gerade dort ist Kates Haut löchrig und vernarbt.
    Die Verkäuferin, die uns umschwirrt, nimmt Kate das Kleid aus der Hand.
    Â»Eigentlich ist es ganz dezent«, beteuert sie. »Da wäre kein Brustansatz zu sehen.«
    Â»Wäre das hier zu sehen?« faucht Kate und öffnet die Knöpfe ihrer Bluse, um den erst kürzlich ausgetauschten Hickman-Katheter zu zeigen, der ihr mitten aus der Brust wächst.
    Die Verkäuferin schnappt nach Luft, ehe sie die Fassung wiedergewinnt. »Oh«, sagt sie schwach.
    Â»Kate!« fahre ich sie an.
    Sie schüttelt den Kopf. »Komm, wir gehen.«
    Sobald wir draußen sind, knöpfe ich sie mir vor. »Bloß weil du wütend bist, mußt du deine schlechte Laune noch lange nicht an der ganzen Welt auslassen.«
    Â»Ach, die blöde Ziege«, entgegnet Kate. »Hast du gesehen, wie sie auf mein Kopftuch gestarrt hat?«
    Â»Vielleicht hat ihr das Muster gefallen«, sage ich trocken.
    Â»Ja, und vielleicht wache ich morgen früh auf und bin nicht mehr krank.« Ihre Worte fallen schwer wie Felsbrocken zwischen uns. »Ich finde einfach kein Kleid. Hätt ich Taylor doch bloß nicht gesagt, daß ich mitgehe.«
    Â»Glaubst du denn, irgendeins von den Mädchen, die auf den Ball gehen, sind besser dran? Die sind alle auf der Suche nach einem Kleid, das Schläuche und Blutergüsse und Drähte und Kolostomiebeutel und Gott weiß was abdeckt.«
    Â»Die anderen sind mir egal«, sagt Kate. »Ich will gut aussehen. Richtig gut, verstehst du, nur für einen Abend.«
    Â»Taylor findet dich jetzt schon schön.«
    Â»Ich aber nicht!« schreit Kate. »Ich finde mich nicht schön, Mom.«
    Es ist ein warmer Tag, die Sonne brennt mir auf Kopf und Rücken. Was soll ich darauf antworten? Ich bin nie Kate gewesen. Ich habe gebetet und gebettelt und gefleht, daß ich an ihrer Stelle krank werde, eine Art faustischer Handel, aber eben nur in meiner Phantasie.
    Â»Wir nähen dir was«, schlage ich vor. »Und du kannst es selbst entwerfen.«
    Â»Du kannst doch gar nicht nähen«, seufzt Kate.
    Â»Dann lern ich’s.«
    Â»An einem Tag?« Sie schüttelt den Kopf. »Du kannst nicht immer alles gutmachen, Mom. Wieso weiß ich das und du nicht?«
    Sie läßt mich auf dem

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