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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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nur selten das bekommen, was wir verdient hätten. Ich stehe auf, und der Blitzstrahl hat mir die Kehle verbrannt, so daß ich nicht mehr schlucken kann und alles sich staut wie ein verdammter Fluß. Ich haste aus Kates Zimmer und so weit den Gang hinunter, daß ich sie nicht stören werde, und dann hebe ich die Faust und schlage ein Loch in die dicke weiße Wand, und trotzdem reicht das noch nicht.
    BRIAN
    Es gibt ein Rezept, wie man etwas in die Luft sprengt. Man braucht eine Pyrexschüssel; aus Kaliumchlorid und Bleichmittel gewinnt man durch Erhitzen Kristalle. Die muß man aufbewahren.
    Es ist schwer, immer derjenige zu sein, der wartet. Ich meine, nichts gegen den Helden, der in die Schlacht stürmt, aber wenn man mal richtig drüber nachdenkt, hat derjenige, der zurückbleibt, eine ganze Geschichte zu erzählen.
    Ich sitze in einem Gerichtssaal, der bestimmt der häßlichste an der gesamten Ostküste ist, und warte darauf, aufgerufen zu werden, als mein Piepser losgeht. Ich werfe einen Blick auf die Nummer, stöhne auf und überlege, was ich machen soll. Ich soll später als Zeuge aussagen, aber jetzt braucht mich mein Department.
    Nach einigem Hin und Her erteilt mir der Richter die Erlaubnis, das Gebäude zu verlassen. Kaum bin ich draußen, werde ich auch schon mit Fragen und Kameras bestürmt. Es kostet mich eine Menge Beherrschung, nicht mit Fäusten auf diese Geier loszugehen.
    Als wir Anna am Morgen der Anhörung nicht finden konnten, fuhr ich nach Hause. Ich suchte sie an all ihren Lieblingsplätzen – Küche, Kinderzimmer, die Hängematte hinterm Haus –, aber sie war nicht da. Schließlich stieg ich die Treppe zu Jesses Wohnung über der Garage hoch.
    Auch er war nicht da, darüber mache ich mir inzwischen keine Gedanken mehr. Es gab mal eine Zeit, da wurde ich regelmäßig von Jesse enttäuscht. Schließlich beschloß ich, einfach gar nichts mehr von ihm zu erwarten, und seitdem komme ich besser mit dem klar, was passiert.
    Ich klopfte an die Tür und rief nach Anna, nach Jesse, aber es machte keiner auf. Ich habe zwar einen Schlüssel zu seiner Wohnung, aber ich wollte ihn nicht benutzen. Als ich mich auf der Treppe umdrehte, stieß ich die rote Recyclingtonne um, die ich persönlich jeden Dienstag an die Straße stelle, weil Jesse beim besten Willen nicht verläßlich daran denken kann. Ein Zehnerpack leere Bierflaschen, leuchtendgrün, polterte heraus. Ein leerer Clorox-Waschmittelbehälter, ein leeres Olivenglas, eine Zweiliterpackung Orangensaft.
    Ich warf alles zurück in die Tonne, nur nicht die Orangensaftpackung, die nicht recyclebar ist, wie ich Jesse gesagt habe, obwohl er weiter jede verdammte Woche so eine Packung in die Tonne schmeißt.
    Der Unterschied zwischen diesem Brand und den anderen ist der, daß das Risiko jetzt um einiges höher ist. Statt eines verlassenen Lagerhauses oder einer Hütte am Wasser ist es diesmal eine Grundschule. Da Sommerferien sind, war niemand im Gebäude, als das Feuer ausbrach. Aber ich bin mir absolut sicher, daß es gelegt wurde.
    Als ich eintreffe, werden die Einsatzfahrzeuge gerade wieder beladen, und die Brandstelle ist bereits gesichert. Paulie kommt sofort zu mir. »Wie geht’s Kate?«
    Â»Einigermaßen«, sage ich und deute mit dem Kinn auf das Chaos. »Was habt ihr gefunden?«
    Â»Der ganze Nordflügel ist ausgebrannt«, sagt Paulie. »Willst du’s dir ansehen?«
    Â»Ja.«
    Das Feuer hat im Lehrerzimmer angefangen; die Brandmuster deuten wie ein Pfeil auf den Entstehungsherd. Ein Haufen synthetisches Polstermaterial ist fast vollständig verbrannt, aber noch immer erkennbar. Der Brandstifter war so clever, das Feuer mitten in einem Berg aus Sofakissen und Papierstapeln zu legen. Der Geruch des Brandbeschleunigers liegt noch in der Luft. Diesmal war es ganz einfaches Benzin. Glasscherben von dem explodierten Molotowcocktail liegen in der Asche.
    Ich gehe zum hinteren Teil des Gebäudes, spähe durch ein zerbrochenes Fenster. Wahrscheinlich haben die Jungs hier dem Feuer Luftzufuhr verschafft. »Meinst du, wir schnappen das Schwein, Captain?« fragt Caesar, der gerade hereinkommt. Er trägt noch seine Schutzmontur und hat auf der linken Wange einen Schmutzstreifen. Er starrt auf die Trümmer in der Feuerlinie. Dann bückt er sich und hebt mit seinem dicken Handschuh eine Zigarettenkippe auf.

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