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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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»Unglaublich. Der Schreibtisch der Sekretärin ist völlig zerschmolzen, aber so ein Glimmstengel übersteht das Feuer.«
    Ich nehme ihm die Kippe aus der Hand und betrachte sie. »Ich schätze, dieser Glimmstengel war nicht hier, als das Feuer anfing. Da hat jemand in aller Ruhe eine Zigarette geraucht und sich das Ganze angeschaut, und dann ist er gegangen.« Ich drehe die Kippe zwischen den Fingern, um den Markennamen zwischen Papier und Filter zu lesen.
    Paulie steckt den Kopf durch das kaputte Fenster und sieht Caesar an. »Wir fahren zurück. Steig in den Wagen.« Dann sagt er zu mir: »He, nur damit du’s weißt, wir haben das Fenster nicht eingeschlagen.«
    Â»Ich hatte nicht vor, dir die Rechnung dafür zu schicken, Paulie.«
    Â»Nein, ich meine, wir haben durchs Dach gelüftet. Das hier war schon kaputt, als wir ankamen.« Er und Caesar gehen, und wenige Augenblicke später höre ich den schweren Löschzug abfahren.
    Es könnte ein verirrter Baseball oder ein Frisbee gewesen sein. Aber auch in den Ferien kümmert sich ein Hausmeister um das Gebäude. Und der hätte ein zerbrochenes Fenster vorübergehend zumindest mit Pappe oder Brettern abgedichtet.
    Es sei denn, unser Feuerteufel wußte genau, von wo aus er Sauerstoff ins Gebäude bringen mußte, damit die Flammen durch den Windkanal rasen, der durch das Vakuum entstand.
    Ich blicke auf die Zigarettenkippe in meiner Hand und quetsche sie zusammen.
    Aus gut 50 Gramm der zurückbehaltenen Kristalle macht man mit Hilfe von destilliertem Wasser Kaliumchlorat. Das vermischt man mit Vaseline, Wachs und Benzin. Anschließend wird die Masse zu einem Würfel geformt und in Wachs getaucht. So wird dieser Sprengstoff wasserdicht.
    Als Jesse die Tür zu seiner Wohnung öffnet, sitze ich wartend auf der Couch. »Was machst du hier?« fragt er.
    Â»Was machst du hier?«
    Â»Ich wohne hier«, sagt Jesse. »Vergessen?«
    Â»Ach ja? Oder ist das hier nur dein Versteck?«
    Er nimmt eine Zigarette aus einer Packung, die er in der Brusttasche hat, und zündet sie an. Merits. »Keine Ahnung, wovon du redest. Wieso bist du nicht im Gericht?«
    Â»Wieso hast du Salzsäure bei dir unterm Waschbecken?« frage ich. »Schließlich haben wir keinen Swimmingpool.«
    Â»Hä? Wo bin ich hier, bei der Inquisition?« Er blickt mich finster an. »Die hab ich letzten Sommer gebraucht, als ich bei der Fliesenlegerfirma gejobbt hab. Damit kriegt man Mörtelreste weg. Ehrlich gesagt, ich wußte nicht mal, daß ich noch welche habe.«
    Â»Dann weißt du wahrscheinlich auch nicht, Jesse, daß das Zeug ziemlich leicht hochgeht, wenn man’s nur auf die richtige Weise in einer Flasche verschließt?«
    Er wird ganz ruhig. »Willst du mir irgendwas unterstellen? Wenn ja, dann sag es doch, du Arsch.«
    Ich stehe von der Couch auf. »Okay. Ich will wissen, ob du vorher Rillen in die Flaschen geschnitten hast, damit sie leichter zerplatzen. Ich will wissen, ob dir klar ist, wie haarscharf der Obdachlose dem Tod entgangen ist, als du den Schuppen nur so zum Spaß angezündet hast.« Ich greife hinter mich und halte den leeren Clorox-Behälter aus der Recyclingtonne hoch. »Ich will wissen, was das hier in deinem Müll zu suchen hat, wo du doch selber nicht wäschst, geschweige denn putzt. Aber dafür gibt es sechs Meilen von hier eine ausgebrannte Grundschule, in der eine Sprengladung hochgegangen ist, die aus Bleichmittel und Bremsflüssigkeit hergestellt wurde.« Ich habe ihn jetzt an den Schultern gepackt, und obwohl Jesse sich mit Leichtigkeit losreißen könnte, wenn er wollte, läßt er sich von mir schütteln, bis sein Kopf nach hinten fliegt. »Gottverdammt, Jesse!«
    Er starrt mich an, das Gesicht ausdruckslos. »Bist du jetzt fertig?«
    Ich lasse ihn los, und er weicht zurück, bleckt die Zähne. »Dann sag mir, daß ich mich irre«, fordere ich ihn heraus.
    Â»Ich sag dir noch mehr«, schreit er. »Ich meine, mir ist vollkommen klar, daß du seit eh und je davon überzeugt bist, alles, was in diesem Universum schiefläuft, geht auf mein Konto, aber weißt du was, Dad, diesmal liegst du total daneben.«
    Langsam nehme ich etwas aus der Tasche und drücke es Jesse in die Hand. Die Merit-Zigarettenkippe bleibt auf seiner Handfläche liegen. »Dann hättest du nicht deine Visitenkarte

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