Beim Leben meiner Schwester
will.« Ich hole tief Luft und schüttele den Kopf. »Verstehst du, was ich sagen will?«
»Nicht so ganz.«
Ich muà lächeln. »Ich glaube, ich will nur sagen, daà du mich an jemanden erinnerst.«
Anna stützt sich auf einen Ellbogen. »An wen denn?«
»An mich«, sage ich.
Wenn man so viele Jahre mit seinem Partner zusammen ist, wird er zu dem Weg, den man so gut kennt, daà man ihn aus dem Kopf aufzeichnen könnte. Und doch, wenn man am wenigsten damit rechnet, macht man eines Tages die Augen auf, und plötzlich ist da eine unbekannte Abzweigung, ein Aussichtspunkt, der vorher nicht da war, und man muà anhalten und sich staunend fragen, ob diese Stelle vielleicht gar nicht neu ist, sondern schon immer da war, nur daà man sie bis dahin übersehen hat.
Brian legt sich neben mich aufs Bett. Er sagt nichts, sondern schiebt nur seine Hand in das Tal an meinem Halsansatz. Dann küÃt er mich, lange und bittersüÃ. Das erstaunt mich nicht, dafür aber das, was er als nächstes tut â er beiÃt mir so fest auf die Lippe, daà ich Blut schmecke. »Aua«, sage ich und versuche, ein wenig zu lachen, es auf die leichte Schulter zu nehmen. Aber er lacht nicht, und er entschuldigt sich auch nicht. Er beugt sich vor und leckt es ab.
Ich zucke innerlich zusammen. Das ist Brian, und das ist nicht Brian, und beides ist ungewöhnlich. Ich fahre mit der Zunge über das Blut, Kupfer und Speichel. Ich öffne mich wie eine Orchidee, mache meinen Körper zur Wiege und fühle seinen Atem an meiner Kehle hinuntergleiten, über meine Brüste. Er legt den Kopf einen Moment auf meinen Bauch, und so unerwartet wie der Bià war, so vertraut ist mir der wehe Schmerz, den ich dabei empfinde â denn das hat er früher jeden Abend gemacht, ein Ritual, als ich schwanger war.
Dann bewegt er sich wieder. Er schiebt sich über mich, eine zweite Sonne, und füllt mich mit Licht und Wärme. Wir sind eine Studie in Gegensätzen â hart und weich, hell und dunkel, wild und ruhig â und doch passen wir in einer Weise zusammen, die mir das Gefühl gibt, daà keiner von uns ohne den anderen vollständig wäre. Wir sind ein Möbiussches Band, zwei zusammenhängende Körper, unmöglich zu entwirren.
»Wir werden sie verlieren«, flüstere ich und weià selbst nicht, ob ich Kate oder Anna meine.
Brian küÃt mich. »Hör auf«, sagt er.
Danach reden wir nicht mehr. Das ist sicherer.
MITTWOCH
Doch kein Licht
Gibt diese Glut, sichtbare Dunkelheit vielmehr.
JOHN MILTON,
âºDas verlorene Paradiesâ¹
JULIA
Izzy sitzt im Wohnzimmer, als ich vom Joggen zurückkomme. »Alles in Ordnung?« fragt sie.
»Klar.« Ich ziehe meine Laufschuhe aus, wische mir den Schweià von der Stirn. »Wieso?«
»Weil normale Menschen nicht morgens um halb fünf Joggen gehen.«
»Ach, ich muÃte ein biÃchen Energie loswerden.« Ich gehe in die Küche, aber der programmierbare Kaffeeautomat hat versagt. Ich überprüfe, ob er auch eingestöpselt ist und drücke dann ein paar von seinen Knöpfen, aber die ganze LED-Anzeige hat den Geist aufgegeben. »ScheiÃe!« sage ich und reiÃe den Stecker aus der Wand. »Das Ding ist doch noch gar nicht so alt.«
Izzy tritt neben mich, während ich hilflos an dem Gerät herumfummele. »Hat es noch Garantie?«
»Keine Ahnung. Ist mir auch egal. Wenn du für etwas bezahlst, das dir eine Tasse Kaffee liefern soll, dann hast duâs auch verdient, deine verdammte Tasse Kaffee gefälligst zu kriegen.« Ich knalle die leere Glaskanne so fest auf, daà sie in der Spüle zerbricht. Dann rutsche ich am Küchenschrank runter und breche in Tränen aus.
Izzy geht neben mir in die Hocke. »Was hat er angestellt?«
»Haargenau das gleiche, Iz«, schluchze ich. »Ich bin so gottverdammt dämlich.«
Sie nimmt mich in die Arme. »Siedendes Ãl?« schlägt sie vor. »Lebensmittelvergiftung? Kastration? Such dir was aus.«
Ich muà ein wenig lächeln. »Du würdest das glatt machen.«
»Nur weil du es auch für mich machen würdest.«
Ich lehne mich gegen die Schulter meiner Schwester. »Ich dachte, Blitze schlagen nie zweimal in dieselbe Stelle ein.«
»Doch, tun sie«, erklärt Izzy. »Aber nur wenn du zu blöd bist, dich vom Fleck zu bewegen.«
Die erste
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