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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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große Sache –«
    Â»Doch, Campbell, es ist sogar eine Riesensache. Und ich werde es nicht tun.«
    Â»Wenn du nicht aussagst, verlieren wir«, erkläre ich.
    Â»Dann lassen Sie sich was anderes einfallen, wie wir gewinnen können. Sie sind schließlich der Anwalt.«
    Ich trommele mit den Fingern auf dem Tisch, um mich zu beruhigen. »Kannst du mir bitte verraten, warum du dich so vehement dagegen sträubst?«
    Sie blickt auf. »Nein.«
    Â»Nein, du kannst nicht? Oder nein, du willst nicht?«
    Â»Es gibt da einfach ein paar Sachen, über die ich nicht gern rede.« Ihr Gesicht verhärtet sich. »Ich dachte, gerade Sie könnten das verstehen.«
    Sie weiß genau, wie sie mich kriegt. »Schlaf eine Nacht drüber«, schlage ich mühsam beherrscht vor.
    Â»Ich werde meine Meinung nicht ändern.«
    Ich stehe auf und schmeiße meinen vollen Kaffeebecher in den Mülleimer. »Wie du meinst«, sage ich. »Dann erwarte auch nicht von mir, daß ich dein Leben ändern kann.«
    SARA
    GEGENWART Mit dem Verstreichen von Zeit geht etwas Merkwürdiges einher: eine Verknöcherung des Charakters. Verstehen Sie, wenn das Licht im richtigen Winkel auf Brians Gesicht fällt, kann ich noch immer das helle Blau seiner Augen sehen, bei dem ich immer an eine Lagune denken mußte, in der ich noch nie geschwommen bin. Unter den feinen Linien seines Lächelns hat er ein Grübchen im Kinn – das erste Merkmal, nach dem ich in den Gesichtern meiner neugeborenen Kinder gesucht habe. Dann sind da noch seine Entschlossenheit, sein ruhiger Wille und ein gelassener Friede mit sich selbst, von dem ich immer gehofft habe, er würde sich auf mich übertragen. Das sind die wichtigsten Elemente, deretwegen ich mich in meinen Mann verliebt habe. Wenn es heute Zeiten gibt, in denen ich ihn nicht wiedererkenne, dann ist das vielleicht gar kein Nachteil. Veränderung muß nicht immer schlecht sein. In der Schale, die sich um ein Sandkorn herum bildet, sehen manche Menschen eine Mißbildung und andere eine Perle.
    Brians Augen huschen von Anna zu mir. Er sieht mich an, wie eine Maus einen Habicht ansieht. Und es tut mir weh. Bin ich das für ihn geworden?
    Für alle?
    Ich wünschte, wir wären jetzt nicht in einem Gerichtssaal. Ich wünschte, ich könnte zu ihm gehen. Hör mal , würde ich sagen, so habe ich mir unser Leben nicht vorge stellt; und vielleicht finden wir aus dieser Sackgasse auch nicht mehr heraus. Aber es gibt niemanden, mit dem ich mich lieber verlaufen hätte als mit dir .
    Hör mal , würde ich sagen, vielleicht habe ich mich geirrt .
    Â»Mrs. Fitzgerald«, spricht Richter DeSalvo mich an, »haben Sie irgendwelche Fragen an den Zeugen?«
    Das ist, so wird mir klar, eine gute Bezeichnung für einen Ehepartner. Denn was machen ein Ehemann oder eine Ehefrau anderes, als sich gegenseitig ihre Trugschlüsse zu bezeugen?
    Ich erhebe mich langsam von meinem Platz. »Hallo, Brian«, sage ich, und meine Stimme ist nicht annähernd so fest, wie ich gehofft hatte.
    Â»Sara«, antwortet er.
    Nach dieser Begrüßung weiß ich nicht mehr, was ich sagen soll.
    Mir kommt eine Erinnerung an ein lang zurückliegendes Jahr. Wir wollten Urlaub machen, konnten uns aber nicht entscheiden, wo. Also stiegen wir einfach ins Auto und fuhren los und ließen alle halbe Stunde eins der Kinder entscheiden, welche Ausfahrt wir nehmen sollten oder ob wir links oder rechts abbiegen sollten. Schließlich landeten wir in Seal Cove in Maine und blieben dort auch, weil wir durch Jesses nächste Anweisung schnurstracks im Atlantik gelandet wären. Wir mieteten eine Hütte ohne Heizung, ohne Strom – und das mit drei Kindern, die Angst im Dunkeln hatten.
    Mir ist gar nicht bewußt, daß ich das alles laut gesagt habe, bis Brian antwortet. »Ja, das weiß ich noch«, sagt er. »Wir haben so viele Kerzen auf den Boden gestellt, daß ich Angst hatte, wir würden die Hütte abfackeln. Es hat fünf Tage ununterbrochen geregnet.«
    Â»Und am sechsten Tag, als das Wetter endlich besser wurde, konnten wir es vor lauter Mücken draußen nicht aushalten.«
    Â»Und dann ist Jesse noch mit Giftsumach in Berührung gekommen, und ihm sind die Augen zugeschwollen –«
    Â»Ich störe nur ungern«, unterbricht Campbell Alexander.
    Â»Stattgegeben«, sagt Richer DeSalvo.

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