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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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bin Annas Anwalt«, erwidere ich.
    Der Sekretär wendet sich an Sara Fitzgerald. »Wer vertritt Ihre Seite?«
    Annas Mutter ist einen Moment lang wie vor den Kopf geschlagen. Sie dreht sich zu ihrem Mann um. »Das ist wie Fahrradfahren, man verlernt’s nicht«, sagt sie leise.
    Ihr Mann schüttelt den Kopf. »Bist du sicher, daß du das durchstehen willst?«
    Â»Ich will nicht, ich muß.«
    Ich höre ihnen zu, und plötzlich schwant mir etwas. »Moment mal«, sage ich. »Sind Sie Anwältin?«
    Sara dreht sich zu mir um. »Ja, wieso?«
    Ich blicke Anna ungläubig an. »Und das erwähnst du nicht mal?«
    Â»Sie haben nicht danach gefragt«, flüstert sie.
    Der Gerichtssekretär reicht jedem von uns ein Anwesenheitsformular und ruft den Sheriff dazu.
    Â»Vern.« Sara lächelt. »Schön, Sie zu sehen.«
    Na toll, das wird ja immer besser.
    Â»Hallo!« Der Sheriff gibt ihr einen Kuß auf die Wange, schüttelt ihrem Mann die Hand. »Brian.«
    Sie ist also nicht nur Anwältin, sie hat obendrein auch noch die Ordnungshüter um den Finger gewickelt. »Sind wir fertig mit der Wiedersehensfeier?« frage ich, und Sara Fitzgerald wirft dem Sheriff einen Blick zu, verdreht die Augen: Der Typ ist ein Idiot, aber was will man machen? »Bleib hier«, sage ich zu Anna, und ich folge ihrer Mutter ins Richterzimmer.
    Richter DeSalvo ist ein kleiner Mann mit zusammengewachsenen Augenbrauen und einer Vorliebe für Kaffeemilch. »Guten Morgen«, sagt er und bedeutet uns mit der Hand Platz zu nehmen. »Was soll der Hund hier?«
    Â»Er ist ein Servicehund, Euer Ehren.« Bevor er noch etwas sagen kann, fange ich das freundliche Geplauder an, das in Rhode Island jedes Gespräch im Richterzimmer einleitet. Wir sind ein kleiner Bundesstaat, und die Juristengemeinde ist noch kleiner. Es ist nicht nur denkbar, daß deine Anwaltsgehilfin die Nichte oder Schwester des Richters ist, mit dem du in deinem Fall zu tun hast. Nein, es ist sogar ziemlich wahrscheinlich. Während wir plaudern, werfe ich einen Blick auf Sara, die begreifen soll, wer von uns beiden Teil dieses Spiels ist und wer nicht. Sie mag ja als Anwältin gearbeitet haben, aber nicht in den zehn Jahren, seit ich einer bin.
    Sie ist nervös, faltet den unteren Rand ihrer Bluse. Richter DeSalvo bemerkt das. »Ich wußte gar nicht, daß Sie wieder praktizieren.«
    Â»Das war auch nicht meine Absicht, Euer Ehren, aber die Antragstellerin ist meine Tochter.«
    Der Richter blickt mich an. »Worum geht es bei der Sache, Mr. Alexander?«
    Â»Mrs. Fitzgeralds jüngste Tochter beantragt die Entlassung aus der elterlichen Gewalt in medizinischen Fragen.«
    Sara schüttelt den Kopf. »Das stimmt nicht, Euer Ehren«, sagt sie so vehement, daß mein Hund aufblickt. »Ich habe mit Anna gesprochen, und sie hat mir versichert, daß sie es sich anders überlegt hat. Sie hatte einen schlechten Tag und wollte wahrscheinlich schlicht unsere Aufmerksamkeit gewinnen.« Sara hebt eine Schulter. »Sie wissen ja, wie Dreizehnjährige sein können.«
    Es wird so still im Raum, daß ich meinen eigenen Puls hören kann. Richter DeSalvo weiß nicht, wie Dreizehnjährige sein können. Seine Tochter war zwölf, als sie starb.
    Saras Gesicht wird flammendrot. Wie jeder im Staat weiß sie von Dena DeSalvo. Würde mich nicht wundern, wenn sie auch so einen Aufkleber am Heck ihres Minivans hat. »Oh Gott, verzeihen Sie. Ich wollte Sie nicht –«
    Der Richter blickt weg. »Mr. Alexander, wann haben Sie zuletzt mit Ihrer Mandantin gesprochen?«
    Â»Gestern morgen, Euer Ehren. Sie war in meinem Büro, als ihre Mutter mich anrief, um mir zu sagen, es sei alles nur ein Mißverständnis.«
    Wie zu erwarten, klappt ihr der Unterkiefer herunter. »Sie kann nicht bei ihm gewesen sein. Sie war joggen.«
    Ich blicke sie an. »Sind Sie sicher?«
    Â»Das hat sie aber gesagt –«
    Â»Euer Ehren«, sage ich, »genau das ist der springende Punkt, und genau darum halte ich Anna Fitzgeralds Antrag für begründet. Ihre Mutter weiß an einem beliebigen Vormittag nicht, wo ihre Tochter sich befindet, und medizinische Entscheidungen, die Anna betreffen, werden mit der gleichen Unachtsamkeit –«
    Â»Schluß damit, Mr. Alexander.« Der Richter wendet sich an Sara. »Hat Ihre Tochter zu

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