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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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sind siamesische Zwillinge. Man kann nur nicht sehen, wo wir zusammengewachsen sind. Was es um so schwieriger macht, uns zu trennen.
    Als ich aufblicke, steht die Frau, die in dem Waschsalon an der Kasse sitzt, vor mir, Ring in der Lippe und blaugestreifte Dreadlocks. »Brauchst du Kleingeld für die Maschinen?« fragt sie.
    Nein, denke ich, ich brauche etwas ganz anderes.
    JESSE
    Ich hab als Kind gern mit Streichhölzern gespielt. Ich hab sie vom Regal über dem Kühlschrank genommen und bin damit ins Badezimmer meiner Eltern gegangen. Das Körpertonic von Jean Naté brennt, wußten Sie das? Wenn man was davon ausschüttet und anzündet, kann man den Boden in Brand stecken. Es brennt bläulich, und wenn der Alkohol verbrannt ist, erlischt die Flamme.
    Einmal kam Anna überraschend rein, als ich gerade im Bad war. »He«, sagte ich. »Ich zeig dir mal was.« Ich träufelte ein bißchen Jean Naté in Form ihrer Initialen auf den Boden. Dann zündete ich die Flüssigkeit an. Ich hatte erwartet, daß sie schreiend rausrennt und mich verpetzt, aber nein, sie setzte sich einfach auf den Badewannenrand. Sie nahm sich die Flasche Jean Naté, goß ein paar verschlungene Muster auf den Boden, und ich mußte es für sie anstecken.
    Anna ist der einzige Beweis dafür, daß ich tatsächlich in diese Familie hineingeboren wurde und nicht von irgendeinem Bonnie-und-Clyde-Pärchen auf der Flucht vor der Tür abgelegt wurde. Äußerlich könnten wir verschiedener nicht sein. Aber innerlich sind wir gleich: Die Leute meinen, sie wüßten, wie wir sind, aber sie liegen immer falsch.
    Ich scheiß auf alles . Eigentlich müßte ich mir das auf die Stirn tätowieren lassen, so oft, wie ich das schon gedacht habe. Ich bin meistens unterwegs, in meinem Jeep, geb so richtig Stoff, bis meine Lungen nicht mehr können. Heute brettere ich mit hundertfünfzig Sachen über den 95. Ich wechsele ständig die Spur, fädele ein und aus, als würde ich eine Wunde zunähen. Die Leute brüllen mich hinter ihren geschlossenen Fenstern an. Ich zeige ihnen den Stinkefinger.
    Es würde tausend Probleme aus der Welt schaffen, wenn ich den Jeep über eine Böschung jagen würde. Klar, hab ich schon oft dran gedacht. In meinem Führerschein steht, daß ich Organspender bin, aber in Wahrheit spiele ich mit dem Gedanken, ein Organ märtyrer zu werden. Ich bin tot bestimmt viel mehr wert als lebendig – die Summe der Einzelteile ist mehr als das Ganze. Ich frage mich, wer dann wohl mit meiner Leber, meiner Lunge, sogar meinen Augäpfeln rumlaufen würde. Ich frage mich, welches arme Schwein sich mit dem Ding in meiner Brust begnügen müßte, das ein Herz sein soll.
    Leider Gottes erreiche ich ohne einen Kratzer die Ausfahrt. Ich fahre vom Highway ab und gondele dann die Allens Avenue entlang. Da gibt es eine Unterführung, wo Duracell-Dan fast immer rumhängt. Er ist ein Penner, Vietnam-Veteran, der die meiste Zeit Batterien sammelt, die andere Leute in den Müll geschmissen haben. Keine Ahnung, was er damit anstellt. Er öffnet sie, soviel weiß ich. Er sagt, die CIA versteckt Botschaften für ihre Agenten in Energizer AA, während das FBI die Marke Evereadys bevorzugt.
    Dan und ich haben ein Abkommen: Ich bringe ihm ein paarmal die Woche ein McDonald’s Happy Meal, und dafür paßt er auf meine Sachen auf. Als ich ankomme, hockt er über seinem Astrologiebuch, sein Manifest, wie er sagt. »Dan«, sage ich, als ich aus dem Auto steige und ihm seinen Big Mac gebe. »Wie sieht’s aus?«
    Er blinzelt zu mir hoch. »Der Mond steht im beschissenen Wassermann.« Er stopft sich eine Pommes in den Mund. »Da hätte ich gleich im Bett bleiben können.«
    Wenn Dan ein Bett hat, freß ich ’nen Besen. »Tut mir leid«, sage ich. »Hast du mein Zeugs?«
    Er deutet mit dem Kinn zu den Fässern hinter dem Betonpfeiler, wo er meine Sachen aufbewahrt. Die Perchlorsäure, die ich auf der High School aus dem Chemielabor geklaut habe, ist noch in Ordnung. In einem anderen Faß ist das Sägemehl. Ich klemme mir den vollgestopften Kopfkissenbezug unter den Arm und schaffe alles zum Auto. Dan steht wartend an der Tür. »Danke.«
    Er lehnt sich gegen den Wagen, will mich noch nicht einsteigen lassen. »Ich soll dir von denen was bestellen.«
    Obwohl alles, was aus Dans Mund

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