Beim Leben meiner Schwester
daà deine Mutter dich besser kennt als dein Anwalt, den du erst vor zwei Tagen kennengelernt hast. Aber du bist schlieÃlich zu deinem Anwalt gegangen, um ihn zu engagieren. Und deshalb möchte ich gern aus deinem Mund hören, wie du die Sache siehst.«
»Darf ich Sie was fragen?«
»Klar«, sagt er.
»Muà es einen Prozeà geben?«
»Na ja ⦠deine Eltern könnten deinem Wunsch nachgeben, und die Sache wäre vom Tisch«, sagt der Richter.
Träum weiter.
»Anderseits, wenn jemand einen solche Antrag einreicht â wie du es getan hast â, dann muà die Gegenseite â in dem Fall deine Eltern â vor Gericht gehen. Wenn deine Eltern wirklich glauben, daà du noch nicht in der Lage bist, solche Entscheidungen selbst zu treffen, müssen sie mir ihre Gründe darlegen, weil ich ansonsten automatisch zu deinen Gunsten entscheide.«
Ich nicke. Ich habe mir geschworen, auf alle Fälle ruhig zu bleiben. Wenn mir die Nerven durchgehen, hält der Richter mich nicht mal für fähig, überhaupt irgendwas zu entscheiden. Ich habe die tollsten Absichten, werde aber abgelenkt, als ich sehe, wie der Richter seine Dose Apfelsaft hebt.
Vor gar nicht so langer Zeit, als Kate im Krankenhaus war, um sich die Nieren untersuchen zu lassen, gab eine neue Krankenschwester ihr einen Becher und bat sie um eine Urinprobe. »Wenn ich wiederkomme, bist du fertig«, sagte sie. Kate â die sich den herrischen Ton nicht gefallen lassen wollte â beschloÃ, der Krankenschwester eine Lektion zu erteilen. Sie schickte mich zu den Getränkeautomaten, um genauso einen Saft zu holen, wie ihn der Richter gerade trinkt. Sie goà davon etwas in den Becher für die Probe, und als die Krankenschwester wiederkam, hielt sie den Becher gegen das Licht. »Mhm«, sagte Kate. »Sieht ein biÃchen trübe aus. Ich filter ihn lieber noch mal durch.« Und dann hob sie den Becher an die Lippen und trank ihn leer.
Die Krankenschwester wurde kreideweià und floh aus dem Raum. Kate und ich kriegten uns nicht mehr ein vor Lachen. Den Rest des Tages brauchten wir uns nur kurz anzublicken, und schon prusteten wir wieder los, lösten uns förmlich in Gelächter auf.
Wie ein Zahn, und dann ist nichts mehr da.
»Anna?« sagt Richter DeSalvo, und dann stellt er die blöde Dose Saft auf den Tisch, und ich breche in Tränen aus.
»Ich kann meiner Schwester keine Niere spenden. Ich kann einfach nicht.«
Wortlos reicht Richter DeSalvo mir eine Packung Kleenex. Ich knülle ein paar zu einem Ball zusammen, betupfe mir Augen und Nase. Eine Weile sagt er nichts, läÃt mir Zeit. Als ich aufblicke, sehe ich, daà er wartet. »Anna, kein Krankenhaus in diesem Land wird jemandem gegen seinen Willen ein Organ entnehmen.«
»Was glauben Sie denn, wer die Unterschrift dazu gibt?« frage ich. »Nicht das kleine Mädchen, das in den OP gerollt wird â die Eltern .«
»Du bist kein kleines Mädchen, du könntest protestieren«, sagt er.
»Ja, klar«, sage ich, schon wieder unter Tränen. »Wenn du meckerst, weil jemand zum zehntenmal eine Nadel in dich reinsticht, dann findet das jeder normal. Alle Erwachsenen lächeln bloà aufgesetzt und sagen sich gegenseitig, daà keiner freiwillig um mehr Nadelstiche bittet.« Ich putze mir die Nase mit einem Kleenex. »Die Niere â das ist nur heute. Morgen ist es was anderes. Irgendwas anderes ist immer.«
»Deine Mutter hat gesagt, du willst den Antrag zurückziehen«, sagt er. »Hat sie mich belogen?«
»Nein.« Ich schlucke schwer.
»Warum ⦠hast du sie dann belogen?«
Darauf wüÃte ich tausend Antworten, ich entscheide mich für die einfachste. »Weil ich sie liebhabe«, sage ich, und wieder kommen mir die Tränen »Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid.«
Er blickt mich forschend an. »WeiÃt du was, Anna? Ich werde jemand benennen, der deinem Anwalt hilft, mir zu sagen, was das beste für dich ist. Wie findest du das?«
Meine Haare sind mir vors Gesicht gefallen. Ich streiche sie mir hinter die Ohren. Mein Gesicht ist so rot, daà es sich aufgedunsen anfühlt. »Okay«, antworte ich.
»Okay.« Er drückt den Kopf einer Sprechanlage und bittet darum, alle anderen wieder reinzuschicken.
Meine Mutter kommt als erste ins Zimmer und will gleich zu mir, doch Campbell und sein Hund sind
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