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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Sprinkleranlage losgeht.
    Â»Was ist passiert?« fragt er und geht schnurstracks zu Kates Bett.
    Ich schleiche mich aus dem Raum, weil mich da drin keiner mehr braucht. Im Fahrstuhl zünde ich mir vor dem NICHT-RAUCHEN-Schild eine Zigarette an.
    Sag Anna was?
    SARA
    1990–1991 Wie der Zufall es will, vielleicht ist es ja auch eine Frage der Karmaverteilung, sind alle drei Kundinnen beim Friseur schwanger. Wir sitzen unter den Trockenhauben, die Hände über unseren Kugelbäuchen gefaltet wie eine Reihe Buddhas. »Meine Favoriten sind Freedom, Low und Jack«, sagt die junge Frau neben mir, die sich die Haare pink färben läßt.
    Â»Und wenn’s kein Junge wird?« fragt die Frau auf meiner anderen Seite.
    Â»Och, die passen doch für beides.«
    Ich unterdrücke ein Lächeln. »Ich wäre für Jack.«
    Das Mädchen blinzelt und starrt dann zum Fenster hinaus in das lausige Wetter. » Rain klingt schön«, sagt sie nachdenklich und probiert den Namen mehrmals aus. »Rain, räum deine Spielsachen auf. Rain, Schätzchen, beeil dich, sonst kommen wir zu spät zum Wilco-Konzert.« Sie kramt ein Stück Papier und einen Bleistiftstummel aus ihrem Schwangerschaftsoverall und notiert sich den Namen.
    Die Frau links von mir grinst mich an. »Ihr erstes?«
    Â»Das dritte.«
    Â»Für mich auch. Ich hab zwei Jungs. Ich drück mir selbst beide Daumen.«
    Â»Ich habe einen Jungen und ein Mädchen«, sage ich zu ihr. »Fünf und drei.«
    Â»Wissen Sie schon, was es diesmal wird?«
    Ich weiß alles über dieses Baby, von seinem Geschlecht bis hin zu den Chromosomen und den Genen, die es zu einem perfekten Spender für Kate machen. Ich weiß genau, was ich bekomme: ein Wunder. »Es wird ein Mädchen«, antworte ich.
    Â»Oooh, wie ich Sie beneide! Mein Mann und ich haben uns beim Ultraschall nichts verraten lassen. Ich hab gedacht, wenn ich höre, daß es wieder ein Junge wird, stehe ich die letzten fünf Monate nicht durch.« Sie schaltet ihre Trockenhaube aus und schiebt sie zurück. »Haben Sie sich schon einen Namen ausgesucht?«
    Erst jetzt wird mir klar, daß ich das nicht getan habe. Obwohl ich im neunten Monat bin, obwohl ich reichlich Zeit zum Träumen hatte, habe ich mir über dieses Kind noch keine besonderen Gedanken gemacht. Wenn ich an diese Tochter denke, dann nur daran, was sie für die Tochter tun kann, die ich bereits habe. Das habe ich nicht mal Brian gestanden, der nachts den Kopf auf meinen stattlichen Bauch legt und auf die kleinen Stöße wartet, die – seiner Meinung nach – den ersten weiblichen Placekicker für die Patriots ankündigen. Aber meine Träume von ihr sind ja nicht weniger hochfliegend. Ich erwarte von ihr, daß sie das Leben ihrer Schwester rettet.
    Â»Wir warten noch«, sage ich zu der Frau.
    Manchmal habe ich das Gefühl, daß wir eigentlich kaum etwas anderes tun.
    Nach Kates dreimonatiger Chemotherapie im letzten Jahr war ich am Anfang so naiv, mir einzubilden, wir hätten es geschafft. Dr. Chance hatte gesagt, sie sei anscheinend in Remission und wir müßten nun beobachten, was als nächstes passiert. Und für eine Weile wurde mein Leben sogar wieder normal: Ich kutschierte Jesse zum Fußballtraining und half in Kates Vorschulklasse aus und nahm sogar gelegentlich ein schönes, heißes Entspannungsbad.
    Doch die ganze Zeit wußte ein Teil von mir, daß es so nicht bleiben würde. Dieser Teil untersuchte jeden Morgen Kates Kopfkissen, auch noch als ihre Haare mit den krausen Spitzen schon nachwuchsen, nur für den Fall, daß sie vielleicht doch wieder ausfielen. Dieser Teil ging zu dem Genetiker, den Dr. Chance mir empfohlen hatte, »erschuf« einen Embryo, der laut wissenschaftlicher Bestätigung mit Kate vollkommen übereinstimmte, nahm die Hormone für die In-vitro-Fertilisation und empfing den Embryo, nur für alle Fälle.
    Bei einer routinemäßigen Knochenmarkspunktion wurde dann festgestellt, daß Kate molekular rückfällig war. Äußerlich wirkte sie wie jedes andere dreijährige Mädchen. Innerlich hatte der Krebs sich wieder in ihrem Organismus ausgebreitet und den Fortschritt zunichte gemacht, der durch die Chemo erreicht worden war.
    Jetzt sitzt Kate mit Jesse auf der Rückbank, strampelt und spielt mit einem Spielzeugtelefon. Jesse sitzt neben ihr und starrt

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