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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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ist alles bestens. Wenn du deine Therapie dagegen mit nur ein bißchen Übelkeit und Schmerzen bewältigst, dann steht zu befürchten, daß die Medikamente irgendwie von deinem Körper ausgeschieden wurden und wirkungslos bleiben.
    Wenn man danach geht, müßte Kate inzwischen kerngesund sein. Anders als die Chemo vor einem Jahr hat die neue Behandlung aus einem kleinen Mädchen, das nicht mal eine Schnupfnase hatte, ein physisches Wrack gemacht. Nach drei Tagen Bestrahlung hat sie unentwegt Durchfall und muß wieder Windeln tragen. Zunächst hat sie sich deshalb noch geschämt, doch inzwischen ist sie so krank, daß ihr alles egal ist. Als Folge der anschließenden fünftägigen Chemo ist Kates Rachen derart verschleimt, daß sie sich an einen Absaugeschlauch klammert wie an einen Rettungsring. Wenn sie wach ist, weint sie unaufhörlich.
    Seit dem sechsten Tag, als Kates weiße Blutkörperchen und ihre neutrophilen Granulozyten absackten, ist sie in reverser Isolation. Jetzt könnte jeder Keim der Welt sie töten. Aus diesem Grund wird die Welt auf Distanz gehalten. Nur wenige Besucher dürfen zu ihr, und jeder, der hineindarf, sieht aus wie ein Astronaut, mit Schutzanzug und Maske. Wenn Kate sich ein Bilderbuch ansieht, dann nur mit Gummihandschuhen. Es sind keine Grünpflanzen oder Blumen erlaubt, weil sie Bakterien beherbergen, die Kate töten könnten. Jedes Spielzeug muß zuerst mit antiseptischer Lösung abgeschrubbt werden. Ihr Teddybär, den sie zum Einschlafen braucht, steckt in einem Ziploc-Beutel, der die ganze Nacht raschelt und sie manchmal aufweckt.
    Brian und ich sitzen draußen und warten. Während Kate schläft, übe ich an einer Orange das Spritzensetzen. Nach der Transplantation braucht Kate Wachstumsfaktorspritzen, und das wird meine Aufgabe sein. Ich stoße die Nadel in die dicke Schale der Frucht, bis ich das weichere Fruchtfleisch darunter spüre. Das Medikament, das ich verabreichen soll, wird subkutan injiziert, dicht unter die Haut. Ich muß den richtigen Ansatzwinkel finden und lernen, wieviel Druck erforderlich ist. Die Geschwindigkeit, mit der man die Nadel einsticht, kann mehr oder weniger Schmerzen verursachen. Natürlich weint die Orange nicht, wenn ich einen Fehler mache. Aber die Krankenschwestern versichern mir, daß es sich nicht wesentlich anders anfühlen wird, wenn ich Kate die Spritzen gebe.
    Brian nimmt die zweite Orange und fängt an, sie zu schälen.
    Â»Leg sie wieder hin.«
    Â»Ich hab Hunger.« Er deutet mit dem Kinn auf die Frucht in meiner Hand. »Und du hast doch schon eine Patientin.«
    Â»Woher willst du wissen, daß die nicht schon mal jemand für Übungszwecke benutzt hat? Weiß der Himmel, womit die gedopt ist.«
    Plötzlich biegt Dr. Chance um die Ecke und kommt auf uns zu. Donna, eine Krankenschwester aus der Onkologie, folgt ihm auf den Fersen und hält einen Infusionsbeutel mit einer hellroten Flüssigkeit hoch. »Der große Augenblick«, sagt sie.
    Ich lege meine Orange weg, folge ihnen in den Vorraum, wo ich mich so einkleide, daß ich mich meiner Tochter auf drei Meter nähern darf. In Minutenschnelle hat Donna den Beutel am Infusionsständer befestigt und verbindet den Tropf mit Kates Portkatheter. Ich bin fast enttäuscht, daß Kate nicht einmal aufwacht. Ich stehe an einer Seite des Bettes, Brian auf der anderen. Ich halte den Atem an. Ich starre nach unten auf Kates Hüfte, den Beckenkamm, wo Knochenmark produziert wird. Durch irgendein Wunder finden Annas Stammzellen, die über den Zugang in Kates Brust in die Blutbahn gelangen, den Weg an die richtige Stelle.
    Â»Gut«, sagt Dr. Chance, und wir alle sehen zu, wie das Nabelschnurblut langsam durch den Schlauch gleitet, ein Strohhalm der Hoffnung.
    JULIA
    Nach nur zwei Stunden des erneuten Zusammenlebens mit meiner Schwester kann ich mir kaum noch vorstellen, daß wir uns je konfliktfrei eine Gebärmutter geteilt haben. Isobel hat meine CDs nach Jahrgängen sortiert, unter der Couch gefegt und die Hälfte der Lebensmittel in meinem Kühlschrank weggeschmissen. »Verfallsdaten sind unsere Freunde, Julia.« Sie seufzt. »Du hattest da noch Joghurts aus der Zeit, als Clinton Präsident war.«
    Ich knalle die Tür zu und zähle bis zehn. Aber als Izzy zum Gasherd geht und anfängt, nach dem Selbstreinigungsknopf zu suchen, fahre ich aus der

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