Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
ihr Sauerstoff. Noch Fragen?«
    Im Scheinwerferlicht eines näher kommenden Lasters sehe ich Annas Gesicht. Der Laster biegt ab, das Licht wandert nach unten, und ich bemerke, daß meine Tochter einer fremden Frau die Hand hält.
    Am Krankenhaus angekommen, ziehen wir die Trage aus dem Wagen und rollen sie durch die automatischen Türen. Ein Notaufnahme-Team wartet bereits. »Sie ist noch immer ansprechbar«, sage ich.
    Ein Pfleger klopft ihr auf die dünnen Handgelenke. »Du liebe Güte.«
    Â»Ja, deshalb hab ich auch keine Nadel reingekriegt. Zum Blutdruckmessen brauchte ich eine Kindermanschette.«
    Plötzlich fällt mir Anna ein, die mit aufgerissenen Augen an der Tür steht. »Daddy? Muß die Frau sterben?«
    Â»Ich glaube, Sie hatte einen Schlaganfall … aber sie wird durchkommen. Hör mal, setz dich doch solange da drüben hin und warte, ja? In bin in höchstens fünf Minuten hier fertig.«
    Â»Dad?« sagt sie, und ich bleibe an der Tür stehen. »Wäre doch toll, wenn alle so wären, nicht?«
    Sie sieht es anders als ich – Eldie Briggs ist für jeden Rettungssanitäter ein Alptraum, denn ihre Venen sind zu dünn und ihr Zustand unklar, und dieser Einsatz war alles andere als gut. Was Anna meint, ist, daß Eldie Briggs wieder geheilt werden kann.
    Ich gehe hinein und gebe dem Team in der Notaufnahme die Informationen, die ich habe. Etwa zehn Minuten später habe ich das Einsatzformular ausgefüllt und suche im Wartebereich nach meiner Tochter, aber sie ist nicht da. Ich gehe zu Red, der die Trage mit einem frischen Laken bezieht, und frage: »Wo ist Anna?«
    Â»Ich dachte, die ist bei dir.«
    Ich blicke nach rechts und links den Korridor hinunter, aber sehe nur müde Ärzte, andere Sanitäter, kleine Grüppchen von betroffen aussehenden Leuten, die Kaffee trinken und das Beste hoffen. »Ich bin gleich wieder da.«
    Im Vergleich zu der Hektik in der Notaufnahme ist es im siebten Stock geradezu friedlich. Die Krankenschwestern begrüßen mich alle mit Namen, während ich zu Kates Zimmer gehe und behutsam die Tür öffne.
    Anna ist zu groß für Saras Schoß, aber auf dem sitzt sie. Anna und Kate schlafen beide. Über Annas Kopf hinweg sieht Sara mich näher kommen.
    Ich streiche Anna die Haare von den Schläfen. »Schätzchen«, sage ich, »komm, wir fahren nach Hause.«
    Anna setzt sich langsam auf. Sie läßt sich von mir hochziehen, und Saras Hand gleitet ihr den Rücken hinab. »Das ist nicht unser Zuhause«, sagt Anna, aber sie folgt mir trotzdem aus dem Zimmer.
    Es ist nach Mitternacht, als ich mich zu Anna hinunterbeuge und ihr ins Ohr flüstere: »Komm, ich zeig dir was.« Sie setzt sich auf, schnappt sich ein Sweatshirt, steckt die Füße in ihre Turnschuhe. Gemeinsam steigen wir hinauf aufs Dach von der Wache.
    Ãœber uns fällt die Nacht vom Himmel. Meteoriten regnen wie Feuerwerkskörper nieder, schnelle Risse im Saum der Dunkelheit. »Oh!« ruft Anna aus, und sie legt sich hin, damit sie besser sehen kann.
    Â»Das sind die Perseiden«, sage ich. »Ein Meteoritenschwarm.«
    Â»Wahnsinn.«
    Sternschnuppen sind eigentlich gar keine Sterne. Es sind bloß Steine, die in die Atmosphäre eintreten und sich durch Reibung entzünden. Das, was wir sehen und wobei wir uns was wünschen, ist nur eine Trümmerspur.
    Im oberen linken Quadranten des Himmels zerplatzt ein Radiant zu einem neuen Funkenschauer. »Passiert das jede Nacht, wenn wir schlafen?« fragt Anna
    Es ist eine interessante Frage – Passieren alle wunderba ren Dinge, wenn wir es nicht mitbekommen? Ich schüttele den Kopf. Die Umlaufbahn der Erde kreuzt diesen steinigen Schweif einmal im Jahr. Aber eine so dynamische Show kriegt man vielleicht nur einmal im Leben zu sehen.
    Â»Wäre doch toll, wenn mal ein Stern bei uns im Garten landen würde. Wenn wir ihn dann am nächsten Morgen finden, könnten wir ihn in ein Goldfischglas stecken und als Nachtlicht oder Campinglaterne benutzen.« Ich sehe es förmlich vor mir, wie sie den Rasen nach verbrannten Stellen absucht. »Glaubst du, Kate kann das auch sehen, aus ihrem Fenster?«
    Â»Ich weiß nicht.« Ich stütze mich auf einen Ellbogen und blicke sie aufmerksam an.
    Aber Anna hält die Augen gebannt auf die umgedrehte Himmelsschüssel gerichtet. »Ich weiß, du willst mich

Weitere Kostenlose Bücher