Beim Naechsten klappt s bestimmt - Roman
zwei Tagen läuft Lillys Ultimatum ab, ich habe ausgiebig darüber nachgedacht, und etwas sagt mir, dass ich dieses Herz aus Stein erweichen werde.
Ich glaube, ich habe eine Idee, wie ich sie verblüffen kann.
Ich ziehe mich nackt aus und stelle mich vor den Spiegel.
Wie ich es geschafft habe, nichts zu bemerken, weiß nur Gott allein.
Ich habe zwei gewaltige Brüste, die Brustwarzen einer Ureinwohnerin, einen vorstehenden Bauch, über den sich
ein erschreckender Streifen aus dunkler Behaarung zieht, und die Knöchel eines Elefanten.
Für eine Frau, die nie ein ungestörtes Verhältnis zum eigenen Körper hatte, ist es geradezu komisch, sich nun auf diese Weise mit ihm beschäftigen zu müssen.
Wenn es nur nicht so traurig wäre.
Die überarbeitete Version meiner Liste lautet:
Pro:
Ich bin am Leben.
Ich bin in New York.
Ich bin frei.
Ich habe noch das ganze Leben vor mir.
Contra:
Ich bin im vierten Monat schwanger.
Sandra und Mark reisen heute Abend wieder ab.
Wir haben uns nichts mehr zu sagen, mit Freundschaften ist es wohl auch nicht so viel anders als mit Liebesbeziehungen.
Wenn die Wege sich trennen und die Lebenseinstellungen auseinanderdriften, ist es sinnlos, im Gedenken an die gemeinsamen schönen Zeiten so zu tun, als wäre alles wie früher - dann muss man loslassen.
Vielleicht begegnet man sich nach einigen Jahren an einer anderen Wegkreuzung wieder, hat neue Erfahrungen, neuen Kummer durchlebt und überdenkt seine festgefahrenen Positionen von einst noch mal.
Im Moment jedoch ist es mir, wenn auch schweren Herzens, lieber, Sandra nicht in meiner Nähe zu haben, da
sie mir ihre Regeln aufzwingen und über mein Leben bestimmen will.
Außerdem glaube ich nicht, dass sie dem armen Julius »nur« eine Lektion erteilt hat, ich kenne meine Pappenheimer.
Die Übelkeit wird immer schlimmer, ich bin müde, deprimiert und ständig zu verkehrten Zeiten schläfrig. Einerseits glaube ich immer noch, dass das alles nicht wahr ist, ein Versehen, aber die heftigen Symptome bringen mich immer wieder in die Wirklichkeit zurück.
Ich habe stets die Ansicht vertreten, dass eine Frau über dreißig, die schwanger wird, nicht abtreiben sollte, nur weil sie noch auf ihren Traummann wartet. Denn das käme einem Verzicht auf Kinder gleich: Sie ist eine erwachsene Frau und keine unbedarfte Vierzehnjährige mehr, und außerdem tickt die biologische Uhr.
Doch dabei habe ich gewiss nicht an mich gedacht!
Eins ist klar: Ich könnte nie auch nur daran denken, das Kind zur Adoption freizugeben, das würde ich mir nicht verzeihen. Andererseits weiß ich sehr gut, was ich für eine Versagerin bin.
Ich habe doch selbst noch 78 Prozent meiner Lebenserfahrungen zu machen und fühle mich wirklich nicht in der Lage, jemand anderem etwas beizubringen. Außerdem, wenn man bedenkt, wie frühreif die Kinder heutzutage sind, wird mir in fünf Jahren wahrscheinlich das Balg den Lebenslauf am Computer tippen!
Alles vorbei, jetzt kann ich nicht mehr lange ausschlafen, nicht mehr darauf warten, den idealen Job, den perfekten Mann zu finden. Jetzt darf ich mich nicht mehr sinnlos betrinken und Tablettenmissbrauch betreiben.
Ich muss unbedingt vernünftig werden.
Aber ich will nicht vernünftig werden!
Was soll ich tun?
Ich sehe meinen Bauch an und stütze instinktiv die Hände in den Rücken.
Eine Gänsehaut überläuft mich.
Es könnte Davids Kind sein oder Edgars Kind.
Ein Narziss und ein Zwangsneurotiker.
Was für ein Paar.
Eine Vision von uns dreien im Kreißsaal blitzt vor mir auf: Der eine telefoniert mit seinem Blackberry, betrachtet dabei sein Spiegelbild in der Scheibe und bittet mich, leiser zu schreien, weil er sonst nichts versteht. Und der andere zählt obsessiv die Kacheln an der Wand und nennt mich Rebecca wie seine Exfrau.
Nein, das ist unmöglich, ich kann ein unschuldiges Wesen nicht für meine Fehler bezahlen lassen!
Ich muss hier raus.
Draußen regnet es.
So, wie es nur in New York regnen kann: aus Kübeln und schräg von der Seite. Aber die Leute stören sich nicht besonders daran, die Mütter tragen bunte Gummistiefel und schieben ihre Hightech-Kinderwagen vor sich her, und auch die Hunde tragen Pullis und Regenmäntel.
Ich hätte Lust auf ein kubanisches Sandwich mit Chorizo und scharfer Sauce, aber eine Stimme sagt mir, dass das im Moment nicht das Richtige wäre.
Ich weiß nicht mehr, wer den Spruch geprägt hat: »Die schönsten Dinge im Leben sind schädlich, illegal oder machen
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