Beinah auf den ersten Blick: Roman (German Edition)
hatte Saskia ohne zu zögern verkündet: »Ist schon gut, Cleo kann mich zu diesem Baumort bringen, wo ich den Weihnachtsmann treffe.«
Damit war alles geklärt.
»Du bist ein Schatz.« Shelley ging zur Tür. »Ich hole sie gegen sieben wieder ab, ist das für dich okay?«
»Natürlich.«
»Bye, Mummy. Bis später!« Saskia zupfte an Cleos Ärmel, während die gerade ihre Cola Light austrinken wollte. Eifrig rief Saskia: »Komm schon, beeile dich, wir müssen los .«
Als sie in Morecombe ankamen und dem gewundenen, beleuchteten Pfad durch den Wald folgten, umgab sie eine verzauberte Stimmung. Geschickt positionierte Strahler beleuchteten einige der Bäume in unterschiedlichen Farben, andere waren mit Girlanden aus blitzenden, weißen Sternen umwickelt, und eine Schneemaschine hatte die gesamte Lichtung in eine glitzernde Decke aus biologisch abbaubarem Schnee gepackt.
»Ist er wirklich da drin?«, hauchte Saskia und bestaunte die Lebkuchenhütte, vor deren Tür die Helfer des Weihnachtsmannes Wache standen. Die Familien am Kopf der Schlange machten gerade großes Aufheben um zwei echte Rentiere.
»Ist er wirklich.« Cleo drückte Saskias Hand im Fäustling und spürte, wie Tränen in ihren Augen brannten. Dieser Ort hatte so eine festliche Ausstrahlung. Darum ging es doch bei Weihnachten, oder nicht? Es galt, wunderbare Erinnerungen für Kinder zu erschaffen, solange sie noch jung genug und unschuldig genug waren, um an den Weihnachtsmann zu glauben.
»Ist dir kalt, Kleines?«
»Nein.« Saskia, die von ihren rosa geblümten Gummistiefeln kleine weiße Papiermachéflocken pickte, sagte: »Das ist gar kein echter Schnee.«
»Das ist besser als echter Schnee. Der hier schmilzt nicht.«
»Aber ist es der echte Weihnachtsmann?«
»O ja, auf jeden Fall. Das ist der echte Weihnachtsmann.«
Saskia hüpfte aufgeregt. »Können wir ihn jetzt sehen?«
»Gleich, Süße. Wir müssen in der Schlange anstehen.« Das würde eine ganze Weile dauern. »O schau, die Lichter strahlen direkt in den Himmel hinauf!«
Während Saskia herumwirbelte und in den Himmel starrte, erhaschte Cleo einen Blick auf etwas, das ihr einen Schlag versetzte. Einige Meter vor ihr in der Schlange trug jemand eine braune Lederjacke, wie Will sie trug, und für den Bruchteil einer Sekunde, als der Mann mit der Hand gestikulierte, sah er aus diesem Blickwinkel sogar aus wie Will, und das war unheimlich. Er würde Augen machen, wenn sie ihm erzählte, dass sie gedacht hatte, ihn in der Schlange vor der Hütte des Weihnachtsmannes mit zwei Kleinkindern im Schlepptau gesehen zu haben.
Außer …
Oh …
O Gott, nein, das konnte nicht sein.
Aber natürlich war er es. Es war Will, ihr Freund, und er war nicht in Manchester, um sich auf die morgige Konferenz vorzubereiten. Stattdessen war er unglaublicherweise hier, keine drei Meter von ihr entfernt, und wartete auf den Weihnachtsmann.
Cleos Herz pochte so heftig, dass sie kaum das Stimmengewirr um sich herum hören konnte. Ihre Ohren nahmen nur ein Trommeln wahr. Will war nicht verheiratet, und er hatte keine Kinder, aber irgendwie hing ein kleines Mädchen in einem pinkfarbenen Mantel und einer glänzenden roten Mütze an seiner Hand, und hinter ihr stopfte ein Junge von sechs oder sieben Jahren heimlich falschen Schnee in die Taschen ihres Mantels.
Cleo merkte, wie jemand an ihrem Ärmel zupfte. Saskia fragte drängend: »Um wie viele Geschenke darf ich ihn bitten? Darf ich ihn um sechs bitten?«
»Äh …« Das Trommeln der versammelten Musikkapelle der Coldstream Guards umnebelte immer noch ihr Gehirn. Es war unglaublich schwer, sich zu konzentrieren. »Nein, nur um eines.«
Na schön, logisch an die Sache herangehen. Sie war hier mit Saskia, aber machte das Saskia automatisch zu ihrer Tochter? Nein, natürlich nicht. Es stand also zu vermuten, dass das auch auf Will zutraf. Er tat einem Freund einen Gefallen, war mit dessen beiden Kindern aus purer Herzensgüte nach Morecombe gefahren und …
»Mummy? Mummy!« Ein Kind in einem dicken Anorak zeigte mit empörtem Finger auf Cleo. »Die Frau da hat gesagt, man darf den Weihnachtsmann nur um EIN Geschenk bitten! Aber du hast gesagt, ich darf ihn um DREI bitten!«
O Mann, holt mich hier raus . Eiligst stammelte Cleo eine Entschuldigung: »T-tut mir leid, ich habe mich geirrt … es sind drei.«
»Ha.« Das Kind sah Saskia triumphierend an.
»Drei?« Saskia suchte in Cleos Blick nach einer Bestätigung. »Drei große
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