Beinah auf den ersten Blick: Roman (German Edition)
zu wissen, was man trägt.«
»Tut mir leid, diese Frau nicht!« Eine große, spitznasige Frau in den Sechzigern kam durch das Gate. Cleo trat einen Schritt von Johnny weg, hielt das Begrüßungsschild hoch und bemühte sich um ein Willkommenslächeln.
»Ah, sehr gut, da sind Sie ja!« Die Kundin trat auf sie zu, und nicht zum ersten Mal flog Cleos vorgefasste Meinung in hohem Bogen zum Fenster hinaus. Während die spitznasige Frau zum Ausgang ging, hielt eine kurvenreiche, sinnliche Brünette Ende dreißig mit blutroten Lippen und dunkel geschminkten Augen ihr den Griff eines teuer aussehenden Rollkoffers entgegen.
Das zeigte nur, dass man eben nie wissen konnte. Tja egal, sie schien nett zu sein. Freundlich meinte Cleo: »Willkommen in Bristol, Mrs Van …« Weiter kam sie nicht.
»Van Dijk.« Johnnys Stimme erklang direkt neben ihr. Er lächelte breit. »Oder wie ich sie zu nennen pflege, die wunderbare Cornelia.«
»Entschuldigung?«
»Johnny! Du hinreißender Mann, ich habe gar nicht gesehen, dass du hinter dem Schild stehst!«, rief Cornelia entzückt, riss ihn in die Arme und küsste ihn theatralisch auf beide Wangen.
Na schön, das war eindeutig kein Zufall. Cleo sah zu, wie die Frau ihre Lippenstiftspuren von Johnnys Gesicht wischte.
Immer noch lächelnd sagte er zu Cornelia: »Du siehst selbst auch ziemlich umwerfend aus. Ist das ein neues Armband?« Diamanten funkelten, als er ihren Arm hochhielt und ihn nach recht und links drehte.
»Nur ein kleines Weihnachtsgeschenk«, vertraute Cornelia ihm mit funkelnden Augen an. »Von mir an mich.«
»Wenn man in Amsterdam lebt, wäre es ein Verbrechen, das nicht zu tun.« Johnny sah sie voller Zuneigung an. »Wie schön, dich wiederzusehen.«
»Oh, lieber Johnny, es ist auch wunderbar, dich zu sehen! Tja, ich habe Hunger! Sollen wir gehen?«
Cleo nickte. »Unbedingt. Ich nehme Sie also beide mit? Ins Hotel du Vin?«
»Das wäre großartig.« Johnny rollte seinen Gepäckwagen zum Ausgang und erzählte heiter: »Ich habe den Wagen ursprünglich nur für Cornelia gebucht. Eigentlich wollte ich gestern schon fliegen. Dann hatte ich in letzter Minute ein Treffen und verlegte meinen Flug auf heute … und wir haben es tatsächlich fertiggebracht, gleichzeitig anzukommen, was fast einem Wunder gleichkommt.« Er strahlte Cleo an. »Es war genial von mir, deinen Limousinenservice zu buchen, nicht wahr?«
Hmmm. Soweit es sie betraf, hatte das weniger mit Genialität zu tun und mehr mit seinem ewigen Drang, ihr immer einen Schritt voraus zu sein. Aber Cleo lächelte und nickte und erwiderte brav: »Das war sehr nett, vielen Dank.«
Nachdem das Gepäck im Kofferraum verstaut war – an diesem Tag war sie dem mitternachtsblauen S-Klasse Mercedes zugeteilt worden – fuhr Cleo vom Kurzzeitparkplatz und bog in Richtung Bristol ein. Sie hatte immer noch keine Ahnung, wer Cornelia Van Dijk eigentlich war.
Abgesehen davon, dass sie ungeheuer reich sein musste, wenn man nach den Diamanten gehen durfte, und dass sie unglaubliche Brüste besaß, die der Schwerkraft zu trotzen schienen.
»Also gut«, sagte Johnny, »wir kommen in zwei Stunden wieder. Ist es für dich hier draußen in Ordnung?«
Sie standen vor dem Hotel du Vin, wo er und Cornelia einen Tisch gebucht hatten.
Cleo nickte. »Kein Problem, es ist mein Job, hier draußen zu warten.«
»Ich kann dir eine Tasse Kaffee herausschicken lassen, wenn du möchtest.«
»Danke, aber ich habe alles, was ich brauche.«
Er zögerte. »Du wartest doch hier, oder?«
Diese Frechheit! »Keine Sorge«, meinte Cleo, »ich habe nicht vor, einkaufen zu gehen und den Wagen mit all deinen weltlichen Besitztümern im Kofferraum an irgendeinem unbewachten Parkplatz stehenzulassen.«
»Schätzchen, keine Sorge, ich bin sicher, sie passt auf alles gut auf.« Cornelia warf ihr glänzendes Haar in den Nacken. »Gehen wir jetzt hinein? Ich brauche dringend einen Drink.«
Johnny tauchte kurz nach drei wieder auf.
»Siehst du?« Cleo sprang vom Fahrersitz und zeigte auf den Wagen. »Ich bin immer noch hier. Ich habe deine Sachen nicht mal auf eBay vertickt.«
Er legte den Kopf schräg. »Hervorragend. Cornelia macht sich noch schnell frisch. Sie kommt gleich.«
»War das Essen gut?«
»Ja, danke. Bist du nicht neugierig wegen Cornelia?«
Was für eine Frage – natürlich war sie neugierig. Sie hatte ihr ganzes Leben damit verbracht, neugierig zu sein … die Antwort auf eine Frage nicht zu wissen, machte sie
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