Beinah auf den ersten Blick: Roman (German Edition)
verliebten und es vom Fleck weg kauften.
Cleo kniete quer im Fond des Bentley und staubsaugte unter dem Fahrersitz, als ihr jemand in den Po kniff.
»Huch!« Sie zuckte zusammen, ließ sich auf die Seite rollen und richtete den Staubsauger wie einen Revolver auf Ash. »Das sollst du doch nicht!«
Seine Augen funkelten. »Ich kann nicht anders. Wenn ich einen süßen, kleinen Hintern direkt vor mir sehr, dann muss ich ihn einfach kneifen.«
Er kam von der Arbeit nach Hause. Der Nachteil, wenn man eine Frühstückssendung im Radio moderierte, war der unmenschlich frühe Arbeitsbeginn, aber der Vorteil war, dass man um elf Uhr alles hinter sich hatte und um zwölf wieder in Channings Hill sein konnte. Cleo schaltete den Staubsauger aus und nahm ihr Poliertuch zur Hand. »Reich mir bitte das Bienenwachs. Wie ist es heute gelaufen?«
»Sagenhaft gut. Wenn du zugehört hättest, müsstest du nicht fragen.« Soweit es um seine Radioshow ging, kannte Ashs Bescheidenheit keine Grenzen. Seit er vor drei Jahren die Frühstückssendung übernommen hatte, nachdem er von einer kleineren kommerziellen Sender in London abgeworben worden war, hatte er die Zuhörerschaft um siebzig Prozent erhöht. Er war der Star des Senders BWR, und sein ständig wachsendes Publikum liebte ihn. Er hatte nicht nur ortsansässige Hörer, Fans aus aller Welt lauschten ihm online. In seiner Show strahlte er Selbstvertrauen, Esprit und unwiderstehlichen Charme aus. Frauen und Mädchen aller Altersgruppen beteten ihn an, und Ash nutzte das aus, las seine Fanbriefe vor und ergötzte seine Zuhörer mit indiskreten Geschichten über sein wildes, testosterongesteuertes, hollywoodartiges Liebesleben.
Im wirklichen Leben schmolz außerhalb des Senders sein Selbstvertrauen rapide dahin. Nein, das stimmte nicht ganz. In Gesellschaft seiner Freunde, Menschen, die er kannte, fühlte er sich wohl. Aber wenn man ihm eine unbekannte und attraktive Frau vor die Nase setzte, war Ash hilflos verloren. Es war, als müsste man zusehen, wie ein Dementor alles Leben aus ihm heraussaugte. Zusammen mit dem Selbstvertrauen verflogen der Esprit und der Charme, und an ihre Stelle trat eine unbeholfene Befangenheit, und vor den erstaunten Augen des Publikums warf Ash Parry-Jones ein Dutzend Jahre ab und verwandelte sich in einen lähmend schüchternen, übergewichtigen und unattraktiven Teenager. Und egal, was man sagte, man konnte nichts daran ändern. Cleo hatte es weiß Gott versucht. Wie Ash selbst offen einräumte, war Erfolg die beste Rache, und karrieretechnisch hatte er das auch in höchstem Maß erreicht, aber es wäre schön, wenn er dieselbe Art körperlicher Verwandlung durchlaufen könnte wie Brad Pitt, als er in Friends eine Gastrolle als ehemals fetter Schultrottel hatte.
Traurigerweise passierte das Ash nicht. Er mochte einiges von dem überschüssigen Gewicht verloren haben, das ihn in seiner Jugend belastet hatte, aber es war noch reichlich Gewicht da; er würde niemals rank und schlank sein. Sein fester Knochenbau würde ihn immer stämmig wirken lassen. Seine Haare waren mausbraun, widerspenstig, nicht bemerkenswert. Und vom Aussehen her hatte er die Art Gesicht, die immer den Eindruck vermittelte, aus Resten zusammengesetzt worden zu sein – eine schiefe Nase, Doppelkinn, buschige Augenbrauen und leicht asymmetrische Ohren. Es mochte ein Klischee sein, und wieder wäre Ash der Erste, der darauf hinweisen würde, aber sein Gesicht war fürs Radio perfekt. Natürlich gab es im Internet Fotos von ihm für all jene, die neugierig genug waren, danach Ausschau zu halten, aber die große Mehrheit seiner Zuhörer hatte keine Ahnung, wie er aussah. Was bedeutete, dass junge Frauen, die sich von seiner Radiopersönlichkeit genug angezogen fühlten, um gezielt nach ihm zu suchen, einen ziemlichen Schock erlitten.
»Ich konnte deine Sendung nicht hören. Ich hatte einen Job zu erledigen«, sagte Cleo.
Ash hob seine buschigen Augenbrauen. »Während der Arbeitszeit?«
»Ein Job im Rahmen meiner Arbeit.« Sie schnipste das Poliertuch nach ihm. »Eigentlich war es richtig süß. Ein Ehepaar, das seine goldene Hochzeit feierte. Die Kinder haben zusammengelegt, um sie als Überraschungsgeschenk auf eine phantastische Urlaubsreise zu schicken. Und heute Morgen dachten sie, sie würden von einem gewöhnlichen Taxi abgeholt.« Kunden wie diese, begeistert und aufgeregt, weil sie vermutlich zum ersten Mal in ihrem Leben in einer Luxuslimousine fuhren, liebte Cleo am
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