Beinah auf den ersten Blick: Roman (German Edition)
wenigstens weiß meine Familie nichts davon.
Aber jetzt … sie sah Abbie an, dann Tom und wieder zurück … es hatte ganz den Anschein, als wüssten sie es.
»Ehrlich, du bist so ein Plappermaul«, schimpfte Abbie.
»He, das ist doch Jahre her.« Toms Grinsen wurde breiter, als Ash auf sie zutrat. »Was spielt das jetzt noch für eine Rolle?«
»Wovon reden wir gerade?« Ash, dessen Neugier grenzenlos war, schaute interessiert.
Cleo platzte heraus: »Sagt es ihm nicht!«
»Von damals, als Johnny LaVenture zu Cleo sagte, dass er verrückt nach ihr sei, und sie es ihm geglaubt hat.«
Na toll, vielen Dank auch.
»Ach ja, bei der Abschlussdisco an der Schule.« Ash nickte gewichtig.
Das war’s. Ash war erst vor drei Jahren ins Dorf gezogen. Cleo sah ihn an, und ihre Stimme schraubte sich nach oben: »Weiß denn wirklich jeder davon?«
»Na ja, schon. Obwohl ich glaube, es war als Geheimnis gedacht. Du solltest gar nicht wissen , dass wir es wissen.«
Cleo schluckte. Was damals geschehen war, reichte aus, um ein Mädchen sein Leben lang zu traumatisieren. Sie war sich sogar ziemlich sicher, dass es sie fürs Leben gezeichnet hatte. Sie war ohne größere Erwartungen zur Disco gegangen, hatte sich höchstens ein paar alkoholfreie Drinks erhofft, ein Tänzchen mit ihren Freundinnen und ein paar lustige Stunden. Als Johnny LaVenture auf sie zugekommen war und sie gefragt hatte, ob er sie draußen kurz sprechen könne, hatte sie sich erst geweigert, aber er hatte praktisch gebettelt, bis ihre Neugier die Oberhand gewonnen und sie schließlich nachgegeben hatte. Kaum waren sie draußen vor dem Gebäude gewesen, hatte Johnny ihr stockend seine wahren Gefühle offenbart. Wie sich herausstellte, hatte er sie nur so sehr geneckt, um die Tatsache zu verschleiern, dass er sie mochte, aber jetzt konnte er seine echten Empfindungen für sie nicht länger verbergen. Und während er ihr das gesagt hatte, hatte sich der Blick seiner herrlichen dunklen Augen flehentlich in ihre Augen versenkt und seine zitternden Hände hatten ihre Schultern gestreichelt. Cleo war, wie hypnotisiert von seiner Erklärung, kaum in der Lage gewesen, es zu fassen. Sie hatte sich gegen die raue Wand zur Mädchenumkleide gelehnt, tief bewegt von diesem Eingeständnis. Er musste all seinen Mut zusammengenommen haben, ihr das zu sagen.
Dann hatte Johnny sie stammelnd gefragt, ob sie in der kommenden Woche mit ihm ausgehen wolle und obwohl sie das eigentlich nicht wollte, hatte sie gewusst, dass sie ihm das nicht ausschlagen konnte. Das hätte sein Selbstvertrauen zerstört. Das Ego von sechzehnjährigen Jungs bekam äußerst leicht einen Knacks, es wäre zu grausam gewesen, ihn abzuweisen … nur ein Mal ins Kino, dann würde sie ihm vorsichtig andeuten, dass sie besser platonische Freunde bleiben sollten …
Darum hatte sie zu Johnny aufgelächelt und gesagt, ja, sie würde gern mit ihm ausgehen, und insgeheim hatte sie große Befriedigung aus dem Wissen gezogen, dass, ha, all die zickigen Mädels, die sich auf seine Seite gestellt und sie Emmi genannt hatten, jetzt nett zu ihr sein mussten.
Es war ein berauschender Moment gewesen, die Art von Wendepunkt, von der jede gepeinigte Sechzehnjährige nur träumen konnte, aber es geschah wirklich, und es fühlte sich … mein Gott, phantastisch an! Nicht nur würde von nun an alles gut sein, sie hatte sich auch nicht an ihm gerächt, sich nicht über ihn lustig gemacht, was sie problemlos hätte tun können, und sie hatte auch nichts Gemeines zu ihm gesagt. Und jetzt sah es ganz so aus, als ob er sie küssen wollte. Na schön, ein kleiner Kuss würde ihr nicht schaden, oder? Um ehrlich zu sein, konnte sie die Übung gut gebrauchen. Cleo hob ihm ihr Gesicht entgegen, schloss die Augen, spitzte aufmunternd die Lippen und wartete auf …
Das Prusten direkt über ihrem Kopf war nicht das, worauf sie gewartet hatte, aber genau das war es, was sie in diesem Moment hörte. Gefolgt von einem Chor unterdrückten Kicherns, einem schabenden Geräusch und der Art von Klappern, das entstand, wenn jemand auf der Klobrille im Toilettenkubus direkt unter dem Oberfenster gerade den Halt verloren hatte und nach unten geplumpst war.
Jemand belauschte sie. Mehrere Jemande, so wie es sich anhörte. So waren eben die Mädchen ihres Jahrgangs. Alles andere als reif. Und dennoch, war es wirklich wichtig, ob sie sie belauschten? Cleo streckte eine Hand aus, um Johnny Mut zu machen, und sagte: »Ist schon gut, mach dir
Weitere Kostenlose Bücher