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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gesagt.
    Was würden Sie dann machen?
    Ich denke, du hast zwei Möglichkeiten. Entweder du vertraust mir oder du tötest mich. Wenn ich du wäre, würde ich mir vertrauen.
    Warum?
    Weil du mich nicht töten willst.
    Ich will Ihnen aber auch nicht vertrauen.
    Ist aber die bessere Option.
    Ja?
    Glaub schon.
    Sie würden also.
    Würde ich.

    |155| »Hast du ein Auto?«, fragte ich Eddi.
    »Was?«
    »Ein Auto … hast du ein Auto?«
    »Ja … ich hab ein Auto. Warum willst du das –«
    »Willst du wirklich die Wahrheit über mich wissen?«
    »Ja, aber –«
    »Ja oder nein.«
    »Ja«, seufzte sie. »Ich will die Wahrheit wissen.«
    »Gut«, sagte ich. »Dann zieh dich an. Wir fahren ein bisschen spazieren.«

|156| Zwölf
    E s war noch dunkel, als wir aus London herausfuhren und die A12 Richtung Essex nahmen. Auf den Straßen war es noch ruhig, die Luft war eisig, der Himmel sternlos und schwarz. Ein blasser weißer Mond leuchtete hell in der Ferne, und während wir durch die morgendliche Dunkelheit dahinrasten, beobachtete ich, wie er um uns herumwanderte. Er schien wachsam wie ein Hund, der seine Runde dreht. Mal war er rechts von uns, dann verschwand er für eine Weile und plötzlich sah ich ihn vor uns über dem Horizont wieder auftauchen. Wenn ich imstande wäre, den Mann im Mond zu sehen, hätte ich wahrscheinlich gedacht, er folgt uns. Aber ich habe ihn noch nie sehen können. Ich habe überhaupt noch nie irgendwas erkennen können dort oben – keine Gesichter, kein Mondkalb, keine gebrochenen Herzen von Liebenden.
    Ich sehe es einfach nicht.
    Ich schaute hinüber zu Eddi. Sie hatte nicht mit mir gesprochen, seit wir aus der Wohnung waren, und sie warf mir auch jetzt keinen Blick zu. Stattdessen saß sie bloß da und fuhr schweigsam vor sich hin, mit kaltem, leerem Gesichtsausdruck. Wahrscheinlich war sie noch immer sauer auf mich, weil ich ihr nicht sagen |157| wollte, wohin wir fuhren. Oder warum wir das taten. Das Einzige, was ich gesagt hatte, war: Wenn sie die Wahrheit über mich wissen wolle, müsse sie mitkommen und sie von jemand anderem hören.
    »Wieso?«, hatte sie gefragt.
    »Wenn du sie von mir hörst, wirst du die Wahrheit nicht glauben. Aber wenn du sie von jemand anderem erfährst … ach, wahrscheinlich wirst du sie dann auch nicht glauben, aber zumindest wirst du nicht denken, ich bin verrückt.«
    »Wieso soll ich denken, dass du verrückt bist?«
    »Warte ab, bis wir da sind.«
    Ihr gefiel die Vorstellung nicht, an einen unbekannten Ort zu fahren, um morgens in aller Herrgottsfrühe eine unbekannte Person zu treffen, trotzdem war sie einverstanden gewesen. Keine Ahnung, wieso. Vielleicht war sie einfach nur neugierig. Vielleicht glaubte sie auch, es wäre irgendwas für sie drin. Oder sie hatte bloß Angst davor, was ich ihr antun würde, wenn sie Nein sagte. Was immer der Grund war, es war mir egal. Wenn sie wirklich Nein gesagt hätte, wäre ich gezwungen gewesen, mir was anderes zu überlegen, und ich wollte mir nichts anderes überlegen. Die Wahrheit war …
    Tja, das war der Punkt: die Wahrheit.
    Das war es, worum sich alles drehte – die Wahrheit herauszufinden. Nicht wegen Eddi, sondern für mich selbst. Es war mir nicht besonders wichtig, ob Eddi glaubte, ich sei verrückt oder nicht,
ich
musste es wissen. Ich musste mir beweisen, dass ich nicht wahnsinnig wurde, dass ich mir das Ganze nicht einbildete. Und die einzige Möglichkeit, das zu tun, war, jemand anderen dazu zu bringen, es mir zu sagen. Jemanden, der die Wahrheit |158| kannte.
    Die echte Wahrheit.
    Ich schaute hinüber zu Eddi. Sie trug ein kurzes schwarzes Kapuzenshirt über einem weiten weißen Hemd, eine frische zerrissene Jeans und eine schwarze Baskenmütze aus Filz, die sie tief ins Gesicht gezogen hatte, um die Wunde am Kopf zu bedecken. Ihre Lippen glänzten von leuchtend rotem Lippenstift.
    »Was ist?«, sagte sie plötzlich.
    »Was?«
    »Warum schaust du mich so an?«
    »Wie denn?«
    »Als ob du über mich nachdenkst.«
    »Ich denk nicht über dich nach.«
    »Nein? Worüber denkst du dann nach?«
    »Über nichts. Ich hab nur …«
    »Nur was? Nur geguckt?« Sie warf mir einen Blick zu, halb lächelnd, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Straße. Ich schaute weg und spürte, wie sie grinste über meine Verlegenheit. Ich war mir nicht sicher, ob sie sich über mich lustig machte oder nur amüsierte. Während ich durch die Windschutzscheibe starrte und den Mond suchte, fragte ich mich, warum es mir

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