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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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nicht egal war.
    Was spielte es für eine Rolle, ob sie mich mochte oder nicht?
    Was machte es für einen Unterschied?
    Warum dachte ich überhaupt drüber nach?
    Der Mond war jetzt verschwunden. Ich konnte ihn nirgends mehr sehen. Auf der Straße war es immer noch ruhig und die Luft war immer noch eisig, doch in der Ferne kroch ein dunstiger Streifen gelblich grauen Lichts über den Horizont und schien auf |159| dunkle Schemen von Wolken. Die Morgendämmerung war da, der Tag begann, sich zu rühren.
    Ich sah mich im Außenspiegel. Mit meinem kurzen blonden Haar und der Designerbrille erkannte ich mich kaum wieder. Es war, als würde ich jemand andern anschauen. Das Gefühl war eigenartig.
    »Sind wir noch richtig?«, fragte mich Eddi.
    »Ja«, sagte ich. »Fahr einfach weiter. Ich sag dir, wenn du von der Autobahn runter musst.«
    »Wie weit ist es noch?«
    »Keine Ahnung … wo sind wir?«
    »Irgendwo in der Nähe von Chelmsford.« Und sie schaute zu mir herüber, von einem plötzlichen Gedanken getroffen. »Hey, hier wohnst du doch, oder? Wohnst du nicht in so einer Art Jugendheim hier in der Gegend?«
    »Nicht mehr«, erklärte ich ihr. »Ich bin schon seit einer Weile nicht mehr dort.«
    »Und wo wohnst du jetzt? In einem andern Heim?«
    »Bei Pflegeeltern.«
    »Echt?«
    Ich nickte und dachte an Bridget und Pete. Überlegte, was sie wohl machten … wo sie waren … wer sie waren … was sie wussten …
    »Wie sind sie so?«, fragte Eddi.
    »Ganz okay«, antwortete ich schulterzuckend. »Um ehrlich zu sein, ziemlich gut …«
    »Wie lange warst du bei ihnen?«
    »Ungefähr ein Jahr.«
    »Ist das normal? Ich meine, wie lange bleibt man sonst bei Pflegeeltern?«
    |160| »Kommt drauf an … manche Kids bleiben ewig bei denselben Leuten, manchmal ist es auch nur für einen Monat oder so. Kann alles sein – Tage, Wochen, Jahre.«
    »Und bei dir? Was ist bei dir normal?«
    »Vorher war ich noch nie so lange bei jemandem. Das Längste waren vier Monate, ehe ich zu Bridget und Pete kam.«
    Eddi sah mich an. »Wieso das?«
    »Keine Ahnung …« Ich lächelte sie an. »Ich finde es schwierig, mit Leuten auszukommen.«
    »Aber mit Bridget und Pete ist es ganz gut gelaufen?«
    »Ja, ich glaub schon … ich meine, sie sind nicht super oder so, aber zumindest besser als die meisten. Vor allem Bridget.«
    »Ist sie nett?«
    »Ja … die ist so ein bisschen hippiemäßig … du weißt schon, auf dem Mutter-Erde-Trip, alles Öko und so. Und sie hat mich immer zu viel über Gefühle und so was gefragt, wo ich nie richtig wusste, was ich drauf antworten soll … Aber immerhin hat sie mich ab und zu mal zum Lachen gebracht.«
    Eddi warf mir einen Blick zu, als ich verstummte. Ich sah jede Menge Fragen in ihren Augen: Wieso bist du jetzt nicht bei Bridget und Pete? Wo sind sie? Wissen sie, wo du bist? Wissen sie, was los ist? Willst du dich nicht bei ihnen melden? Doch sie sagte nichts. Und ich war froh, dass sie nichts sagte. Bridget und Pete waren jetzt Teil meines anderen Ichs, des Ichs, das ich einmal gewesen war, und darüber wollte ich nicht nachdenken.
    »Jetzt ist es nicht mehr weit«, erklärte ich Eddi. »In ungefähr zwanzig Minuten müssten wir da sein.«
    Sie nickte. »Wie lange wird es dauern?«
    |161| »Warum?«
    »Ich fahr in Urlaub – erinnerst du dich? Ich fliege heute nach Spanien.«
    »Um wie viel Uhr geht dein Flug?«
    »Heute Abend um sieben. Allerspätestens um sechs muss ich in Stansted sein. Und ich hab noch nicht gepackt und gar nichts.«
    »Es dauert nicht lange«, sagte ich. »Gegen Mittag bist du zurück in London.«
    Sie sah mich an. »Bist du sicher?«
    »Ja.«
    »Und du lässt mich wirklich fliegen, ja?«
    »Warum nicht? Du erzählst doch keinem was über mich, oder?« Ich sah sie an. »Denn wenn du’s tust, erzähl ich ihnen alles über dich – okay?«
    »Okay«, sagte sie zustimmend.
    Ich konnte an ihrem Blick sehen, dass sie mir kein großes Vertrauen schenkte. Das konnte ich ihr nicht verübeln. Ich hatte ja selbst kein großes Vertrauen in mich.

|162| Dreizehn
    G egen sieben Uhr erreichten wir Stoneham. Die Sonne war jetzt aufgegangen, der frühe Morgenhimmel überzogen von Streifen orange-grauen Lichts, doch als wir auf dem Weg zum Krankenhaus die Stadt durchquerten, verdunkelten sich die Wolken schlagartig, der Regen ging wieder los und überzog die Straßen mit einem Schleier orange-grauer Düsternis. Ich starrte aus dem Fenster und erinnerte mich an einen anderen verregneten Tag … an

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