Being
zwei, Morris und Eddi, wanden sich, zerrten aneinander, kämpften um die Pistole und dann … keine Ahnung. Ich weiß einfach nicht, wie es geschah. Im einen Moment kämpften sie noch beide stöhnend und keuchend, dann –
PENG!
– ging die Pistole los, höllisch laut, und ein feuchter Schauer von irgendwas spritzte mir ins Gesicht.
Einen Moment lang registrierte ich gar nicht, was passiert war. Alles war still. Das feuchte Zeug auf meinem Gesicht war erst warm, dann plötzlich kalt. Nichts geschah. Ich schloss die Augen, wischte mir übers Gesicht, dann schlug ich sie wieder auf. Morris war zwischen die beiden Vordersitze gesackt. Das eine Bein lag verdreht unter ihm, das andere stak aus der Lücke zwischen den beiden Sitzen. |186| Vom Hals abwärts sah er noch aus wie Morris – dunkler Anzug, weißes Hemd, glänzende schwarze Schuhe. Aber er war nicht mehr Morris. Er war bloß ein Ding: ein Ding mit halb zerfetztem Kopf.
Eine Weile saß ich nur da und betrachtete das Zeug, das aus seinem Kopf sickerte. Ich wollte nicht hingucken, aber ich konnte mich nicht lösen. Morris’ Blut war dickflüssig und floss langsam wie Teer. Schwarz, rot, rosa. Ein paar Knochensplitter waren dazwischen. Weiße Einsprengsel. Auf dem Sitz entdeckte ich Klumpen von etwas Grauem, das aussah wie fette Rotzballen.
Alles Menschenmaterial.
Kein Metall, kein Silber, kein Kunststoff.
Morris war tatsächlich ein Mensch gewesen.
Doch jetzt war er nichts.
Ich sah Eddi an. Sie saß nur da und starrte ebenfalls auf Morris. Ihr Gesicht war weiß vor Schock, ihre Augen glasig vor Horror. Die Pistole hielt sie noch in der Hand.
»Verdammt …«, flüsterte sie. »Scheiße.«
Ihre Stimme zitterte.
Ich beugte mich vor und berührte ihren Arm, doch sie schien es nicht zu merken.
»Eddi«, sagte ich leise.
Sie starrte weiter auf Morris.
»Es ist gut, Eddi«, sagte ich und drückte leicht ihren Arm. »Es war nicht deine Schuld. Es war ein Versehen. Es ist gut …«
Plötzlich wurde sie noch blasser. Die Augen schlossen sich, ihre Kehle würgte, dann beugte Eddi sich aus dem Wagen und übergab sich.
|187| Es dauerte eine Weile, Morris’ Leiche in die Scheune zu schaffen. Keiner von uns konnte klar denken, deshalb vergeudeten wir zehn Minuten damit, den Körper aus dem Wagen zu hieven, und eine weitere Viertelstunde, ihn über den mit Wasser vollgesogenen matschigen Platz zu ziehen, anstatt den Corsa einfach zur Scheune zu fahren. Als wir es geschafft hatten, waren wir erschöpft und von allem möglichen Mist eingesaut – Blut, Matsch, Kuhscheiße, Regen …
Aber immerhin war Eddi nicht mehr in Trance. Sie war blass und atemlos und ihre Hände zitterten, aber in Trance war sie nicht mehr.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte ich sie, als wir zum Auto zurückgingen.
»In Ordnung?«, sagte sie und zündete sich eine Zigarette an. »Ich hab gerade jemanden
umgebracht
, verdammte Scheiße.«
»Es war ein Versehen.«
»Ach ja, klar, ich hab ihm
aus Versehen
den Kopf weggeblasen und seine Leiche haben wir bloß
aus Versehen
in die Scheune geworfen.«
»Du weißt, was ich meine.«
Sie seufzte. »Ja, ich weiß …«
»Wenn du ihn nicht erschossen hättest …«
Sie sah mich an. »Was dann? Was wäre passiert, wenn ich ihn nicht erschossen hätte, Robert? Was hatte er vor?«
»Ich weiß nicht …«
»Und was hattest
du
mit ihm vor? Warum wolltest du, dass ich in die Scheune gehe?« Sie blieb neben dem Wagen stehen. »Wer war er überhaupt? Was hatte er in dem Krankenhaus zu schaffen?«
|188| Ich blieb neben ihr stehen. »Es ist jetzt keine Zeit, das zu erklären. Wir müssen los.«
»Nein«, sagte sie fest entschlossen. »Ich geh nirgendwohin, wenn du mir nicht sagst, was das alles zu bedeuten hat.« Sie starrte mich an. »Ich habe gerade für dich einen Mann umgebracht. Das Mindeste, was du tun kannst, ist mir sagen, wer er war.«
Ich erwiderte ihren Blick. Ihr Gesicht war von Blut und Regen verschmiert. Ihre Haare waren klatschnass. Sie war wütend. Sie hatte Angst. Sie war verwirrt. Sie war unpassend schön.
»Wir müssen weg hier«, sagte ich ruhig. »Wenn wir noch länger hierbleiben, sieht uns womöglich jemand. Wir müssen ins Auto und auf der Stelle verschwinden.« Ich legte meine Hand auf ihre Schulter. »Sobald wir in Sicherheit sind, erklär ich dir alles. Versprochen.«
Schweigend starrte sie mich noch eine Weile an, der Regen tropfte rosafarben von ihrem Gesicht, schließlich holte sie tief Luft, atmete wieder aus
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