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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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keine Ahnung, ob ich auch bei ihr enden würde, aber es war am einfachsten, mit der Wahrheit anzufangen, denn das bedeutete, dass ich mir nichts überlegen musste. Du musst dir nichts überlegen, wenn du die Wahrheit erzählst, du musst nur erzählen.
    Also tat ich es.
    Ich erzählte Eddi von meinen Magenproblemen, meinem Krankenhaustermin, meiner Endoskopie. Ich erzählte ihr, wie ich allein mit dem Bus zum Krankenhaus gefahren war, wie ich am Krankenhaus ankam, meine Terminkarte vorlegte … die endlosen Flure entlangging, den Wegweisern folgte … ein Krankenhaushemd anzog, im Wartezimmer saß … in dem kleinen weißen Raum auf der Krankenhausliege lag, den Arzt beobachtete, wie er die Nadel in meinen Handrücken stach …
    Ich erzählte ihr alles, woran ich mich erinnerte.
    Sie sagte nichts. Sie fuhr nur weiter, hörte aufmerksam zu und hing an jedem meiner Worte.
    Als ich an die Stelle kam, wie ich in dem OP im Keller aufwachte, musste ich einen Moment innehalten. Ich konnte nicht weitersprechen. Ich erinnerte mich, wie es gewesen war – auf der Krankenhausliege aufzuwachen … gelähmt, erstarrt, unwissend. Wie ich fremde Stimmen hörte. Fremde Dinge sah. Unmögliche Dinge …
    Niemand würde das jemals glauben.
    »Robert?«, fragte Eddi.
    Ich sah sie an. Sie war ruhig – ruhige Augen, ruhiges Gesicht, alles ruhig.
    »Was ist passiert?«, fragte sie mich. »Der Arzt hat dir eine Spritze verpasst … und was war dann?«
    |197| »Ich weiß nicht … der Arzt erklärte mir, es wäre nur ein schwaches Betäubungsmittel, es würde mich vielleicht gar nicht bewusstlos machen …«
    »Aber es hat?«
    Ich nickte. »Als er die Nadel in meine Hand stach, war’s das. Licht aus. Ich erinnere mich an nichts, bis …«
    »Bis was?«
    »Als ich aufwachte …« Ich hielt inne, räusperte mich. »Als ich aufwachte, war ich nicht mehr am selben Ort wie vorher. Ich lag immer noch auf der Liege. An Händen und Brust waren Drähte festgeklebt. Ich atmete irgendein Gas …« Ich hielt wieder inne, erinnerte mich an den Geschmack hinten in der Kehle … an Kunststoff, Chemikalien, das große Weiß. Ich räusperte mich noch einmal. »Es waren andere Leute im Raum. Ein Chirurg war dabei, ein Anästhesist –«
    »Kamal?«
    »Ja … und noch andere. Leute, die nichts in einem Krankenhaus verloren haben.«
    »Was für Leute?«
    »Leute wie Morris.« Ich sah Eddi an. »Er war da. Ich hab ihn nicht gesehen, aber gehört, wie die andern mit ihm sprachen. Da war so ein Typ, der hieß Ryan. Eine Frau hieß Hayes. Und dann war da noch so ein Riese, der hieß Cooper und bewachte die Tür. Cooper und Ryan trugen Pistolen.«
    Eddi runzelte die Stirn. »Ich versteh nicht. Wer waren sie? Was haben sie da gemacht?«
    Das war jetzt der Punkt – Wahrheit oder Lügen? Ich schaute durch die Windschutzscheibe auf die lange graue Straße, die sich vor uns erstreckte. Sollte ich ihr die Wahrheit erzählen oder lieber |198| Lügen? Wahrheit oder Lügen? Wahrheit oder –
    »Robert«, sagte sie ungeduldig, »was haben sie
gemacht

    »Sie haben in mich reingeguckt«, hörte ich mich sagen.
    »
Was?«
    »Der Chirurg – Professor Casing – der hat mich aufgeschnitten. Genau hier.« Ich fuhr mit dem Finger über den Bauch und zeigte ihr, wo Casing geschnitten hatte. »Ich lag mit einem großen Bauchschnitt da und Ryan grub in mir rum.«
    »In deinem
Körper
?«, flüsterte Eddi.
    »Ja.«
    »Jesses.« Sie sah herüber auf meinen Bauch. »Die Narbe … so bist du also zu der Narbe gekommen …« Sie schaute auf und sah mich an. »Sie haben dich
aufgeschnitten

    Ich nickte. »Erst hab ich geglaubt, irgendwas wär bei der Endoskopie schiefgegangen … du weißt schon, ich dachte, vielleicht haben sie was gefunden und mussten eine Notoperation machen. Aber sie faselten von Geheimhaltung, von Stillschweigen und dass keiner darüber reden dürfte … und dann sah ich Ryan, wie er sich über mich beugte, und ich entdeckte die Pistole in seinem Gürtel und den Riesen, der die Tür bewachte.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich wusste nicht, was passiert war.«
    »Gott, Robert … das muss ja schrecklich gewesen sein. Was hast du gemacht?«
    Für einen Moment sagte ich nichts. Ich brauchte Zeit, meine Gedanken zu sortieren, mein lügendes Herz zu beruhigen. Mich zu erinnern, dass ich kein Mensch war. Dass ich kein Herz hatte. Was kümmerte es mich also, ob ich log oder nicht?
    Ich starrte wieder aus dem Fenster. Der Verkehr staute sich vor uns, um sich an einer

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