Being
und nickte. »Okay«, sagte sie. »Aber ich rate dir, erzähl’s mir.«
»Bestimmt.«
»Alles?«
»Alles.«
Sie nahm einen letzten Zug von ihrer Zigarette, warf sie in den Matsch, dann öffnete sie die Wagentür auf der Fahrerseite und stieg ein. Einen Moment rührte ich mich nicht. Ich stand bloß da, starrte hinab auf die noch qualmende Zigarette und fragte mich, warum ich sie nicht aufhob. Sie war ein Beweis. DNA. Ein Beweis, dass Eddi hier gewesen war.
»Kommst du oder was ist?«, rief Eddi mir zu.
|189| Ich sah hinüber zu ihr, lächelte, dann ging ich um den Wagen und stieg auf der Beifahrerseite ein.
|190| Fünfzehn
W ir fuhren einfach eine Weile. Keiner von uns beiden wusste, wohin, und wir machten uns auch keine Gedanken darüber, solange es nur fort von der Scheune ging. Die Scheune lag im Norden, also fuhren wir nach Süden.
»Ist wahrscheinlich das Beste, wir verlassen die kleinen Sträßchen«, schlug ich vor.
»Ich weiß. Das tu ich ja.«
Ich hielt von da an den Mund. Während sie fuhr, durchsuchte ich das Handschuhfach. Das meiste war nutzloses Zeug – eine Tüte Lutschbonbons, ein Lippenstift, eine Art Nasenspray –, aber ich fand auch eine Straßenkarte und eine Packung Taschentücher. Im Seitenfach der Tür steckte noch eine Flasche Wasser. Ich öffnete sie und reichte sie Eddi. Sie nahm einen großen Schluck, dann gab sie sie mir zurück. Ich feuchtete ein paar Taschentücher an und reichte ihr auch die.
»Was soll ich damit?«, fragte sie.
»Wir müssen uns sauber machen.«
Sie klappte die Sonnenblende herunter und betrachtete ihr blutbeflecktes Gesicht im Spiegel. »O Gott … wieso hast du mir nichts gesagt?«
|191| »Hab ich doch gerade.«
Die nächsten fünf Minuten verbrachten wir damit, an unseren Gesichtern herumzuwischen und unsere Kleidung zu säubern, um zumindest die schlimmsten Spuren zu beseitigen. Es war nicht leicht und für Eddi doppelt schwer, weil sie sich auch noch aufs Fahren konzentrieren musste. Ich überlegte, ob ich anbieten sollte, ihr zu helfen, aber ich war nicht sicher, ob sie das wollen würde. Es war keine besonders angenehme Aufgabe und keiner von uns hatte Lust, darüber zu reden, also hantierten wir schweigend herum – und wischten, rieben, scheuerten uns Morris’ Blut von der Haut.
Es war wie ein Wahn.
Besessenheit, Zwang.
Verdrängung.
Es war, als ob wir beide glaubten, wenn wir uns von Morris’ Blut reinigten, würden wir uns von seinem Tod reinwaschen. Kein Blut, kein Tod, keine Erinnerungen, keine Schuld. Doch es funktionierte nicht. Du kannst den Tod nicht mit ein paar feuchten Taschentüchern abwischen.
Nach einer Weile bemerkte ich, dass wir wieder auf der A12 waren, Richtung London. Ich überlegte, ob Eddi wusste, wohin wir fuhren, oder ob sie immer noch einfach nur fuhr und so viel Distanz wie möglich zwischen Stoneham und uns bringen wollte. Ich sah zu ihr hinüber und versuchte zu entscheiden, ob ich sie fragen sollte oder nicht.
»Wo ist der nächste Bahnhof?«, wollte sie wissen.
»Was?«
»Der nächste Bahnhof … schau in die Karte.«
|192| »Wieso?«
»Wir müssen den Wagen loswerden. Die Polizei wird bestimmt nach ihm suchen. Wir müssen ihn stehen lassen und uns einen andern besorgen.«
»Wie besorgen wir uns denn einen andern?«
»Tja,
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werden wir ihn wohl kaum, oder?« Sie sah mich an und schüttelte den Kopf über meine Naivität. »Wir werden ihn klauen, okay? Und der beste Ort, ein Auto zu klauen, ist der Parkplatz an einem Bahnhof. Viele Autos, wenige Leute.«
»Stimmt«, sagte ich.
Sie sah mich an. »Und?«
»Was und?«
Sie seufzte. »Du hast doch eine Straßenkarte. Also such mir einen Bahnhof.«
Ich schaute in die Karte und bemühte mich, einen Bahnhof zu finden, doch mir war klar, dass ich nur Zeit vergeudete. Ich hatte keine Ahnung, wo wir waren. Ich wusste, wir fuhren auf der A12, irgendwo zwischen Stoneham und London, aber das war eine lange Strecke, unterwegs gab es viele Bahnhöfe … wir konnten überall sein. Ich schaute aus dem Fenster und versuchte herauszufinden, wo wir waren, doch ich sah keine Verkehrsschilder. Ich wandte den Blick zurück auf die Karte.
Ich kam mir langsam echt dämlich vor und verstand nicht, wieso. Wieso fragte ich Eddi nicht einfach, wo wir waren? Wieso fühlte ich mich unwohl dabei? Wieso war es mir peinlich?
»Lass gut sein«, sagte Eddi und wechselte die Spur. »Du kannst aufhören zu suchen.«
Ich schaute von der Karte auf und sah, dass wir auf eine
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