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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Morgen früh um fünf müssen wir los. Allerspätestens halb sechs.« Sie kam zum Bett herüber und blieb vor mir stehen. »Hast du vor, die ganze Nacht da sitzen zu bleiben?«
    Ich grinste, versuchte, meine Verlegenheit zu kaschieren, und stand auf. Während Eddi die Chipstüten und leeren Flaschen vom Bett räumte, ging ich hinüber zu einem Regal in der Wand und zog eine Reservedecke und ein paar Kissen heraus. Ich trug sie durchs Zimmer und warf sie aufs Sofa.
    »Was machst du?«, fragte Eddi.
    Ich drehte mich um und sah sie an. »Ich wollte mir gerade mein Bett machen.«
    »Wozu? Hier ist doch ein Bett.«
    »Na ja, ich dachte nur … du weißt schon …«
    »Ach, komm, sei nicht albern.« Sie schüttelte den Kopf. »Was ist los – traust du dir selber nicht? Oder bin ich es, der du nicht traust?«
    »Nein, darum geht’s nicht … es ist nur …«
    »Schau, wenn ich der Grund für deine Sorge bin, vergiss es. Selbst wenn ich gern wollte – ich bin viel zu müde. Und wenn du glaubst, dass du dich womöglich nicht unter Kontrolle hast … also, das kannst du ruhig mir überlassen.« Sie starrte mich an und wartete darauf, dass ich etwas sagte, aber mehr als zurückstarren konnte ich nicht. »Ich hab keine Zeit für so was«, sagte sie, wandte sich zum Bett um und warf die Decke zurück. »Es ist deine Entscheidung, Robert. Schlaf, wo du willst.« Sie legte sich hin und zog |256| die Decke hoch.
    Ein paar Sekunden lang stand ich da und fragte mich, was so stark in mir pochte, dann ging ich ins Badezimmer. Ich wusch mich, pinkelte, putzte die Zähne. Ich setzte mich auf die Badewannenkante und zog mir die Schuhe und Socken aus. Ich stand auf, schälte mich aus Hemd und Hose. Dann drehte ich mich um und betrachtete mich in dem großen Spiegel an der Innenseite der Tür. Meine Augen wirkten müde. Mein Haar war blond und unvertraut. Meine Haut war vernarbt. Bauch, Arm, Hand, Arm. Skalpell, Skalpell, Zähne, Kugel. Die Narben waren Geisternarben – dünn und weiß, kaum sichtbar. Wie Fäden aus durchsichtigem Kunststoff.
    Mein Spiegelbild flimmerte …
    Ich wollte es nicht mehr länger angucken, deshalb öffnete ich die Tür, schaltete das Licht aus und ging leise hinüber zum Bett. Vorsichtig legte ich mich hin, bemüht, kein Geräusch zu machen, dann knipste ich das Licht aus und legte mich mit dem Rücken zu Eddi. Die Kissen waren weich und kühl, die Laken frisch und sauber – es war ein Gefühl wie im Himmel. Ich streckte die Beine aus und versuchte, mich zu entspannen.
    »Siehst du«, sagte Eddi leise, »ist doch gar nicht so schlecht, oder?«
    »Sehr schön«, murmelte ich.
    Eine Weile lagen wir schweigend da. Ich hörte Eddi atmen, einen geflüsterten Rhythmus seufzender Atemzüge, und ich spürte, wie sich ihr Körper beim Ein- und Ausatmen bewegte … wie sich die Brust hob und senkte, ihr Haar sich leicht auf dem Kissen bewegte …
    Ich spürte die Hitze ihrer Gegenwart.
    |257| Es war schwer zu ignorieren.
    Doch ich musste. Also lag ich bloß in der Dunkelheit, vollkommen reglos, und versuchte, an nichts zu denken.
    Leer deinen Kopf aus, sagte ich mir.
    Du musst dich ausruhen.
    Schlaf ein.
    Schließ einfach die Augen, vergiss Eddi, vergiss alles und schlaf.
    Ich schloss die Augen.
    Und fing an nachzudenken …
    Ich schlug die Augen wieder auf. »Schläfst du?«, flüsterte ich Eddi zu.
    »Ja …«, murmelte sie.
    »’tschuldigung«, sagte ich.
    »Was ist?«
    »Kann ich dich was fragen?«
    »Was?«
    »Es ist wegen Curtis … Johns Bruder. Deinem Ex.«
    »Ich weiß, wer Curtis ist. Was ist mit ihm?«
    »Wurde er zur selben Zeit in Fürsorge gegeben wie John?«
    Sie antwortete nicht sofort, lag nur da, rührte sich nicht und redete nicht. Ich wartete, horchte auf ihren Atem. Die Atemzüge waren jetzt nicht mehr so regelmäßig. Schließlich sagte sie: »Curtis war dreizehn, als sie ihn und seinen Bruder wegbrachten. Ich nehme an, John muss da so etwa neun gewesen sein. Anfangs ließen sie die beiden zusammen – ein paar Monate in einem Heim in Southend, dann für ein Jahr oder so bei einer Pflegefamilie in Basildon. Ich bin mir nicht mehr sicher, wo sie danach hinkamen …«
    Ich wartete, dass sie weitersprach, doch sie schwieg. »John hat |258| mir erzählt, was passiert ist«, sagte ich. »Du weißt schon, mit seinem Dad und so.«
    »Curtis hat nie darüber geredet.«
    »Ihr Dad hat sie missbraucht … du weißt schon, mit ihnen rumgemacht. Echt eklige Sachen. Und er hat ihnen ständig die Knochen aus

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