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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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kurz, um eine Narbe zu bilden, oder? Ich meine, ich weiß, ich hab sie nur ein Mal gesehen und ich versteh auch eigentlich nichts davon, was normal ist.«
    »Was meinst du damit –
normal
?«, fragte ich sie. »Was willst du damit sagen?«
    »Gar nichts.«
    »Bei mir ist schon immer alles ruck, zuck verheilt«, erklärte ich ihr. »Schau.« Ich zeigte ihr das Bissmal auf meinem Handrücken. »Siehst du? Auch das heilt schon. Und du weißt, wann es entstanden ist.«
    »Ich misstrau dir ja nicht, Robert«, sagte sie. »Ich versuch nur dahinterzukommen, was es mit diesem Teil auf sich haben mag … was es in dir bewirkt haben könnte …« Sie schüttelte den Kopf. »Außerdem hast du damit angefangen.«
    »Womit angefangen?«
    »Mit der Idee, dass es eine körperliche Wirkung haben könnte. Das war deine Idee, nicht meine.«
    »Ja, gut …«
    »Ich versuche nur, ein paar Antworten zu finden, das ist alles. Ich mach mir bloß …«
    »Bloß was?«
    |253| Sie lächelte mich an. »Ich denk nur laut.«
    Wir sahen uns einen Augenblick an und ich fragte mich, was sie dachte. Glaubte sie mir? Glaubte ich ihr? Glaubten wir beide, wir würden den andern täuschen?
    Sie lächelte wieder, dann beugte sie sich vor und griff nach einem Aschenbecher auf dem Nachttisch. Als sie so dalag, ausgestreckt auf dem Bett, und die Zigarette ausdrückte, rutschte ihr Pullover hoch und legte die noch feuchte Haut ihres halbnackten Körpers frei. Für einen Augenblick konnte ich nichts dagegen tun, dass ich sie anstarrte, dann zwang ich mich wegzugucken, weil ich nicht darüber nachdenken wollte, was es bei mir auslöste … gewisse Dinge, ungewisse Dinge. Haut und Knochen, Fleisch und Blut … Kohlefaser, Metall, Kunststoff.
    Es war alles zu kompliziert.
    Eddi setzte sich wieder aufrecht und trank die Flasche Wein aus. »Irgendwie ergibt das schon einen Sinn«, sagte sie.
    »Was ergibt einen Sinn?«
    »Das Teil, das in dir war … ich meine, es könnte eine Art experimentelle Technologie sein, eine Art Mikrochip, der im menschlichen Körper arbeitet. Er könnte alle möglichen komischen Sachen bewirken. Und wenn Ryan und seine Leute tatsächlich damit rumexperimentieren, ist es für sie sinnvoll, jemanden wie dich als Versuchskaninchen zu benutzen.« Sie sah mich an. »Du hast keine Familie, keinen, der auf dich aufpasst. Sie können dich herumschieben, dich in verschiedene Situationen stecken. Sie können steuern, dass du ständig von Leuten beobachtet wirst. Und falls es irgendwelche Probleme gibt, können sie dafür sorgen, dass du allein bist, wenn sie sie beheben.«
    Ich starrte auf das Bett, dachte scharf nach und versuchte, die |254| Wahrheit von den Lügen zu trennen. Eddi konnte recht haben. Was sie vorschlug,
ergab
einen Sinn – für uns beide. Für sie war es eine mögliche Erklärung für das, was sie für die Wahrheit hielt. Und für mich war es eine mögliche Erklärung dessen, wovon ich
wusste
, dass es die Wahrheit war. Und irgendwo zwischen den beiden Möglichkeiten – oder vielleicht auch irgendwo in ihnen – steckte eine dritte: die Möglichkeit, dass ich
meine
Wahrheit herausfand, ohne Eddi merken zu lassen, dass ihre Wahrheit eine Lüge war.
    »Was denkst du?«, fragte sie mich.
    Ich sah sie an, zu müde, um noch zu denken. »Ja«, sagte ich, »kann man nicht ausschließen.«

    Irgendwann gegen Mitternacht fing Eddi an, sich bettfertig zu machen. Sie rief bei der Rezeption an, dass sie um halb fünf geweckt werden wolle, programmierte den Wecker im Fernseher und ging ins Badezimmer, um sich die Zähne zu putzen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich saß nur da, schaute die Wände an und wagte nicht nachzudenken. Ich wusste, was ich tun
wollte
, aber ich wusste auch, dass das nicht ging. Ich war schließlich nicht normal, oder? Ich war kein
Mensch
, verdammt noch mal. Wie konnte ich an so etwas überhaupt denken? Natürlich war ich auch in der Nacht vorher kein Mensch gewesen. Und trotzdem war ich in Eddis Bett gelandet. Aber das war etwas anderes. Da war ich betrunken gewesen. Ich hatte unter Drogen gestanden. Ich hatte nicht gewusst, was ich tat …
    »Hast du was gesagt?«
    Bei dem Klang von Eddis Stimme sah ich plötzlich auf. Sie war aus dem Badezimmer gekommen, blockierte mit einem Stuhl die |255| Tür und warf mir über die Schulter einen Blick zu. »Ich dachte, ich hätte dich etwas sagen hören.«
    »Nein … ich hab nur … ich hab nur gedacht …«
    »Na gut, dann wollen wir uns lieber mal schlafen legen.

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