Being
und Öl, schimmernd wie Quecksilber. Das Braun von etwas Lebendem. Fetzen von Weiß, Flecken von Rot, ein Herz pulsierender Sterne …
Es war alles noch da.
Natürlich war es da. Es war immer da gewesen.
Und es würde immer da sein.
Ich saß ungefähr eine Stunde dort, spielte das Band wieder und wieder ab … betrachtete die Dinge in mir … betrachtete die Maschine …
Betrachtete mich.
Mein Inneres.
Als ich es nicht mehr ertrug, das Band anzugucken, nahm ich die Kassette aus dem Rekorder, schaltete den Fernseher aus und ging in mein Zimmer.
Es war zwei Uhr morgens.
|285| Ich ging zu Bett, machte das Licht aus und wünschte mir, ich könnte weinen.
|286| Einundzwanzig
D ie nächsten paar Wochen vergingen wie im Flug. Wir taten nichts Richtiges und es geschah auch nichts, die Tage kamen und gingen und allmählich entwickelte sich eine Art Routine. Wir standen auf, wann wir eben aufstanden. Ich ging in den Laden, um Brot und Milch zu holen. Wir frühstückten zusammen, tranken Kaffee, saßen da und unterhielten uns eine Weile. Nachmittags machten wir einen gemeinsamen Spaziergang – ins Dorf, hinunter zum Strand, hinauf in die Berge. Ab und zu nahmen wir Eddis Motorrad (die kleine Blechkiste, die ich im Hausflur gesehen hatte), fuhren nach Nerja, bummelten an den Geschäften vorbei und blieben ein paar Stunden. Doch meistens war uns nicht danach, das Dorf zu verlassen. Spätnachmittags/frühabends schliefen wir eine Weile, danach begann Eddi, in ihren Laptop zu hacken, auf der Suche nach etwas, das klären könnte, was mit mir los war. Während sie arbeitete, schaute ich fern oder las ein Buch, manchmal machte ich auch noch einen kleinen Spaziergang. Gegen acht oder neun Uhr abends hörte Eddi auf zu arbeiten und wir gingen zusammen was essen.
Wir aßen Abend für Abend am selben Ort, in einem Restaurant namens El Corazón. Es lag an einer Hangstraße mit Blick hinab |287| auf die San Miguel, man konnte sowohl drinnen als auch draußen auf der Freiterrasse essen und dabei zuschauen, was sich in der Welt da unten auf der Straße so abspielte. Dort saßen wir immer. Aßen und tranken, unterhielten uns leise, schauten hinab auf das friedliche Treiben im Dorf – Familien, die zusammen ausgingen, junge Männer auf Pferden, alte Männer auf Eseln, Jugendliche auf Vespas und Mopeds, Jungen und Mädchen, die taten, was Jungen und Mädchen eben so tun.
Im Grunde genommen gab es nicht allzu viel, worüber wir redeten.
Eddi sagte nur selten, wie sie mit ihrer Recherche vorankam, und ich fragte auch nicht nach. Manchmal wollte sie etwas Bestimmtes über Ryan, Casing oder Kamal wissen oder über den nicht existierenden Mikrochip, manchmal auch Details aus meiner Vergangenheit – Namen, Adressen, Daten. Ich versuchte, ihr zu helfen, so gut ich konnte, doch oft konnte ich nicht.
»Es ist nicht so, dass ich mich an gar nichts erinnere«, erklärte ich ihr einmal, »aber die Erinnerungen gehen alle durcheinander, weil ich so viel hin und her geschoben worden bin. Mal dieses Heim, mal das Heim … Schulen, Pflegeeltern … es ist schwer, sich zu erinnern, wie alles zusammengehört.«
»Ich weiß, was du meinst«, sagte Eddi. »Meine Familie ist ständig umgezogen, als ich klein war.«
»Echt?«
Sie zuckte die Schultern.
Ich sah sie an und wartete, dass sie weitersprach, aber sie saß nur da, rauchte und starrte in die Ferne.
»Wieso ist deine Familie so oft umgezogen?«, fragte ich sie.
Sie zuckte wieder die Schultern. »Das hatte mit der Arbeit zu |288| tun … mit dem Job von meinem Vater … verstehst du …«
»Was hat er gemacht?«
Sie sah mich an und ich hatte das Gefühl, dass sie eigentlich nicht drüber sprechen wollte, aber andererseits wohl auch keine Lust hatte zu erklären, warum sie nicht drüber sprechen wollte.
Sie zog an der Zigarette. »Mein Vater war Offizier bei der Armee«, sagte sie widerstrebend. »Sein Job hat ihn überall hingeführt – nach Deutschland, Zypern, Hongkong, Belfast –, und wo immer er hinmusste, nahm er uns mit.« Sie seufzte. »Die meiste Zeit hatte ich keine Ahnung, wo ich war.«
»Was heißt
uns
?«
»Mich und meine Mutter.«
»Keine Brüder oder Schwestern?«
»Nein.«
»Ist dein Dad immer noch bei der Armee?«
Sie schüttelte den Kopf. »Meine Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als ich zwölf war.«
»Scheiße … das muss hart für dich gewesen sein.«
»Ja, ich glaub schon … aber ich war noch ein Kind und wir hatten nie so eine
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