Beinssen, Jan
dieser Raum ist nicht gerade klein.«
Die anderen machten große Augen. »Ein Tresor
raum? Die ideale Lagerstätte für Goldbarren …«, meinte Friedhelm ehrfurchtsvoll.
»Hast du eine Quadratmeterzahl?«, wollte Gabriele sogleich wissen. »Das würde Rückschlüsse erlauben auf …«
»So ein Unsinn«, meldete sich Klaus zu Wort. »Jedes Hotel, das etwas auf sich hält, hat einen Tresor. Den Gästen wird ein Safe zur Aufbewahrung von Schmuck, Geld oder wichtigen Dokumenten angeboten. Und die NHA war doch mal ein Hotel, oder?«
Sina sah erst Gabriele an, dann wieder Klaus und nickte still. Sie musste sich erst sammeln, bevor sie zu argumentieren begann: »Das ist richtig, Klaus. Aber meistens gibt es dafür kleine Zimmersafes oder einen Geldschrank im Hinterzimmer der Rezeption. Auf dem Fluchtwegeplan der Akademie ist jedoch ein Tresorraum eingezeichnet, der von seinen Abmessungen her größer wirkte als die Damen-und Herrentoiletten zusammen.«
In Gabrieles Augen trat ein Funkeln, als sie sich auszurechnen begann, wie viele Barren Gold sich in einem Raum dieser Größe unterbringen ließen. Auch Klaus nickte anerkennend, hakte aber noch einmal nach: »Ich bleibe dabei, ein Tresorraum in einem Hotel besagt noch gar nichts.« Er lauerte darauf, wie Sina reagieren würde.
»Das mag ja sein. Aber die Tatsache, dass jedes Hotel einen Safe oder Tresor hat, muss umgekehrt nicht ausschließen, dass dieser Raum für die Lagerung des
Goldes genutzt wird«, konterte sie mit klopfendem Herzen. – Mist, verfluchter! Warum pochte ihr Herz so ungestüm, wenn sie mit diesem Idioten sprach?
Nüchtern betrachtet – hatte Klaus nicht recht mit seinen Zweifeln? War es nicht voreilig, aus einem flüchtig betrachteten Lageplan kühne Schlüsse über den Verwendungszweck eines Raums zu schließen? Und überhaupt: Sina hatte starke Vorbehalte gegenüber Gabrieles wie auch immer gearteten Plan. Was hatten sie denn überhaupt für Möglichkeiten, um an weitere Informationen, geschweige denn das Gold zu kommen? Sie sah ihre Freundin grimmig an: »Gabi, mal ehrlich, eine Vision ohne Realisationschancen ist nichts anderes als Halluzination. Wie sollen wir auch nur an einen einzigen der Barren herankommen? Mal ganz abgesehen davon, dass uns dieses Gold gar nicht zusteht.«
»Wie bereits gesagt«, antwortete Gabriele geduldig. »Wir müssen ein Schlupfloch finden.«
»Und wie, bitte schön, sollen wir das bewerkstelligen?«, äußerte nun auch Friedhelm seine Zweifel.
»Indem wir uns noch mehr Informationen besorgen.«
»Ja«, stimmte ihr Klaus zu. »Erst einmal muss die Akademie gründlich ausgekundschaftet werden.«
Sina sah ihn aggressiv an. »Das sagt sich leicht. Aber wie stellst du dir das vor? Soll ich die Rezeptionistin fragen, ob ich meine Modeschmuckohrringe während meines Kurses im Tresor aufbewahren kann und sie mir freundlicherweise aufsperrt?«
Klaus lächelte süffisant. »Nein, es wird reichen, wenn du während deines Lehrgangs öfter mal für kleine Mädchen gehst.«
»Bitte?«
»Sagtest du nicht, dass die Klos im selben Flur liegen wie der Tresorraum? Wie praktisch! Wenn Schmidbauer oder ein anderer Kurier auftauchen, klemmst du dich unter dem Vorwand des Harndrangs an ihn dran und kannst mit etwas Glück einen Blick auf die Regale werfen, deren Bretter sich unter dem Gewicht des Goldes biegen …«
Sina war nahe dran, ihrem Ex an die Gurgel zu gehen. Sein selbstgefälliges Lächeln setzte dem Ganzen die Krone auf! Aber sie ahnte, dass Gabrieles Erwartungen an sie nicht anders aussahen. Widerstand war zwecklos.
22
Sina konnte nicht in den Schlaf finden. Aufgewühlt durch die Gespräche des Abends und angeheitert durch den vielen Rotwein wälzte sie sich hin und her. Ihr Nachthemd war verschwitzt. Sie richtete sich auf und zog es aus. Sie fuhr sich mit beiden Händen über die nackte Haut, um die Feuchtigkeit abzustreifen. An eine geruhsame Nacht war nicht zu denken.
Sie knipste das Licht an. Sie musste eine Beschäftigung finden, um sich abzulenken. Ein Buch lesen, vielleicht. Eines, das sie doch noch müde machen würde. Aber nach Belletristik stand ihr nicht der Sinn. Sie musste etwas Handfestes finden, ein Sachbuch. Sie richtete sich auf, ging zum Bücherregal nach nebenan. Dort fiel ihr Blick auf eine Reihe von Bänden, die sie aus der Schulzeit herübergerettet hatte. Unter anderem einen dicken Wälzer über Biologie. Der brachte sie auf einen ganz bestimmten Gedanken: Was hatte der bärtige
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