Beinssen, Jan
sich Friedhelm.
»Schon mal was von Mitdenken gehört?«, fragte Gabriele mit vor Zorn gerötetem Gesicht. »Eigeninitiative hat noch niemandem geschadet. Aber seitdem dir Mama und Papa nicht mehr sagen können, wo es langgeht, bist du ja völlig aufgeschmissen.«
»Gabi, lass es gut sein«, mischte sich Sina ein und rieb sich die pochenden Schläfen. »Wir haben es verbockt und sind alle gleichermaßen schuld daran.«
»Ach, Mist!« Gabriele donnerte mit der Faust auf die Konsole. »Jetzt habe ich bald wirklich keine Lust mehr auf dieses saudumme Gold-Gschmarri!«
Da sprach Gabriele wahre Worte, dachte Sina. Genug war genug! Irgendwann musste ein Ende gemacht werden mit dem Dauerärger, der zu nichts führte als zu Frust. Selbst Friedhelm erweckte den Eindruck, als habe ihm seine Schwester ausnahmsweise einmal aus der Seele gesprochen. »Lassen wir es also bleiben?«, fragte Sina vorsichtig. Sie sah ihre Freundin forschend an. Auch Friedhelm hielt den Mund und blickte erwartungsvoll auf Gabriele.
Die atmete tief durch. Dann spreizte sie die Finger und fuhr sich mit beiden Händen langsam durch
ihr lockiges Haar. Die Entscheidung, vor die sie nun schneller gestellt wurde, als sie erwartet hatte, fiel ihr nicht leicht. Noch immer keimte in ihr die Hoffnung, am Goldrausch teilhaben und davon profitieren zu können. Doch ihre eigene Opferbereitschaft war aufgebraucht, die Frustrationsgrenze überschritten und die Nerven am Ende. Hinzu kam die Müdigkeit. »Gut«, sagte sie leise und zermürbt. »Wir ziehen uns zurück.« Sie spürte, wie ihr Mund trocken wurde, als sie hinzufügte: »Ich danke euch dafür, dass ihr so viel Zeit und Kraft in diese Sache gesteckt habt. Vielleicht kann ich mich irgendwann einmal revanchieren.«
Friedhelm gab einen zufriedenen Grunzlaut von sich, als er sich entspannt in den Rücksitz lehnte und die Verpackung der letzten Minisalami aufriss. Gabriele startete den Motor. Sina schnallte sich an. Langsam fuhr Gabriele los und steuerte ihren Wagen im ersten Gang durch das unwegsame Gelände.
Sina nahm noch einmal das Fernglas zur Hand. Ein letzter Blick auf die Akademie sollte es sein. Sie sah die Limousine, die nach wie vor nahe dem Eingang parkte. Sie sah den Bauwagen mit den Backsteinen. Und sie sah eine dunkel gekleidete Gestalt, die sich an der Hauswand entlangschlich. Im ersten Moment hielt Sina sie für den Chauffeur, der sich ja in der Nähe des Autos aufhalten musste. Doch dann erkannte sie an Körperhaltung und Frisur, dass es jemand anderes war.
»Halt an!«, schrie sie.
Gabriele trat erschrocken auf die Bremse und würgte dabei den Motor ab.
»Das gibt es nicht! Das kann gar nicht sein!« Sina war außer sich.
Auch Gabriele hatte sofort wieder das Fernglas vor den Augen. Sie brauchte nicht lange, um die aus dem Nichts aufgetauchte Figur zu identifizieren: »Das ist … Klaus«, brachte sie stammelnd hervor. »Was tut er da, um Himmels willen?«
29
Es war einfach nicht zu fassen! Sina presste das Fernglas mit der Rechten dicht vor ihre Augen, während sie sich die linke Hand vor den Mund hielt. Als wollte sie verhindern, dass sich ein unbeabsichtigter Schrei löste.
»Was hat dein Freund bei der NHA zu suchen?«, fragte Gabriele mit zusammengepressten Zähnen.
Das ist mir selbst völlig schleierhaft, dachte Sina, war von den Geschehnissen aber viel zu gefesselt, um Gabriele eine Antwort zu geben.
In geduckter Haltung und sich dabei immer wieder nach allen Seiten umsehend, schlich Klaus an der Fassade des Hotels entlang. Er suchte Schutz hinter einer Hecke, doch nur, um seinen Weg gleich darauf fortzusetzen. Er zögerte, als er der Limousine vorm Eingang näher kam. Offenbar wollte er sich überzeugen, dass niemand darin saß.
»So ein verfluchter Idiot!«, schimpfte Gabriele. »Will er das Ding jetzt im Alleingang durchziehen?«
Sina schaute weiter gebannt durch das Fernglas. Klaus stand nun dicht vor dem Eingang. Er sah sich abermals um, dann ging er mit zwei schnellen Schritten auf die Tür zu. Er drehte am Knauf und prüfte, ob die Tür verschlossen war.
»Der hat uns alle getäuscht«, sagte Gabriele erzürnt. »Hat uns vorgespielt, dass er aussteigen will.
Ein Vorwand, um ganz allein Kasse machen zu können. Einen feinen Freund hast du!«
Ohne das Fernglas abzusetzen, sagte Sina: »Er ist nicht mehr mein Freund, das weißt du. Außerdem hatte ich genauso wenig Ahnung von seinen Plänen wie ihr!«
»Das klingt nicht sehr überzeugend«, mokierte sich
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