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Beinssen, Jan

Titel: Beinssen, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goldfrauen
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viel verlangt.
    »Sollen wir versuchen, ob wir reinkommen?«, wiederholte Sina.
    Gabriele schloss sie Augen. Sie wartete, bis das Blut aus den Beinen zurückfloss und ihr Kopf wieder zu arbeiten begann. Erst dann entschied sie sich zum Vorstoß, griff an den Knauf und drehte ihn. Die Tür war nicht verschlossen. Sachte schob sie sie auf.
    Als sie das weiträumige Foyer betraten, umfing sie eine bleierne Stille. Die Frauen trauten sich kaum, einen Fuß vor den anderen zu setzen, denn ihre Schritte hallten in dem saalartigen Vorraum verräterisch nach. Sie fielen auf. Doch genau das beabsichtigten sie ja – oder?
    Sina war sich inzwischen nicht mehr sicher, zu groß
    war ihr Fluchtinstinkt. Sie musste eine Flut innerer Warnungssignale eindämmen, bevor sie weitergehen und Gabriele folgen konnte.
    Diese hatte ein Ziel anvisiert: den Schacht des Lastenaufzugs in der hinteren Ecke des Foyers. Zermürbend langsam kam sie voran, weil ihre Füße nicht so wollten wie ihr Kopf. Es war, als würde sie gegen einen Orkan ankämpfen, der ihr entgegenblies.
    Als beide vor der schlichten Aufzugstür standen, die sich wie eine Ziehharmonika auffalten ließ, bemerkten sie ein grün leuchtendes Kontrolllämpchen an der Bedienungskonsole. Der Fahrstuhl war folglich nicht außer Betrieb, erfasste Gabriele die Lage. »Steigen wir ein«, forderte sie ihre Freundin auf.
    »Meinst du, das ist klug?« Sina blieb in sicherer Distanz zurück.
    »Klug sicherlich nicht. Aber es ist eine Möglichkeit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Klaus zu retten und einen Blick auf das Golddepot zu werfen.«
    Sina überwand ihre Ängste und folgte Gabriele in die niedrige Aufzugskabine. Sie musste sich bücken, um einzusteigen und konnte auch im Inneren der dunklen Kammer nicht aufrecht stehen. »Hier ist eine Schalttafel«, stellte sie nach schneller Orientierung fest. »Ich drücke den unteren Knopf.« Im gleichen Moment setzte sich der Aufzug in Bewegung. Die enge Kabine ruckelte und fuhr quietschend ins Kellergeschoss.
    »Ich bin gespannt, was uns da unten erwartet.« Gabrieles Stimme klang gepresst.
    »Das bin ich auch.« Mehr konnte Sina nicht sagen, denn ihre Kehle schnürte sich zusammen. Eine starke Beklemmung ergriff von ihr Besitz. Die Angst wurde übermächtig.
    Der betagte Aufzug brauchte eine halbe Minute bis ins Untergeschoss. Für Gabriele war es eine gefühlte halbe Stunde. Endlich kam die Kabine zum Stillstand. Endlich konnte sie dieser klaustrophobischen Enge entfliehen. Sie fasste entschlossen an den Griff der Falttür und zog sie auf.
    Und dann sah sie es: Gold! Strahlendes, glänzendes Gold …
    Sina presste sich die Hände vor den Mund. Ebenso wie Gabriele war sie geblendet vom gleißenden Licht der Deckenbeleuchtung, das von den über und über mit Goldbarren gefüllten Wandregalen reflektiert wurde. Ihre Empfindungen schwankten zwischen spontanen Glücksgefühlen, weil sie ihr Ziel endlich erreicht hatte, und einer neuen, wachsenden Angst. Denn inmitten des unfassbar beeindruckenden Goldglanzes stand eine Gruppe Menschen, die ihre Blicke streng auf sie gerichtet hielt.
    Die Gruppe bestand aus NHA-Geschäftsführer Oliver Kern, Handlanger Kilian, dem kleinen Italiener und – der Befehlshaberin von Usedom, der alten Hexe! Sina trat reflexartig einen Schritte zurück. Doch der Bedrohung konnte sie nicht mehr
    entfliehen. Und sie wollte es auf eine Art auch gar nicht. Denn ebenso, wie ihr Fluchtinstinkt auf sie einwirkte, tat es auch die Neugierde. Die Personengruppe wurde noch durch einen weiteren Teilnehmer ergänzt, der keineswegs wie ein Gefangener wirkte, sondern selbstbewusst und tatenfroh dastand. Mit vor der Brust verschränkten Armen und einem siegessicheren Lächeln auf den Lippen: Klaus!
    Sina drehte sich nach Gabriele um. Doch die stand wie hypnotisiert im Zugangsbereich des Lagers, unfähig, sich zu äußern oder Sina Erklärungen irgendeiner Art zu liefern.
    »Willkommen in Eldorado«, sagte die alte Hexe. In ihrer Stimme lag gehässiger Zynismus.
    Gabriele fixierte die Frau, die deutlich älter war als sie, aber von zäher Drahtigkeit und bei wachem Verstand. Das verrieten allein schon ihre kleinen, aufmerksamen Augen. Während sie sich auf die Anführerin und ihre Helfershelfer konzentrierte und über die ominöse Rolle von Klaus spekulierte, merkte sie kaum, wie sich der Aufzug hinter ihr wieder in Bewegung setzte.
    »Klaus!«, entfuhr es Sina. »Was machst du da? Warum bist du nicht …«
    »Tot?«, fragte

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